Eine Frage der Lesart – Die Erklärung der “Elefantenrunde”

Kluge Köpfe der Ingolstädter CSU hatten sich am Sonntagabend versammelt. Nach stundenlangen Beratungen über Geld und Streitereien in der CSU haben sie eine Erklärung formuliert, die höchst unterschiedlich interpretiert wird.

“Nichts dran an den Vorwürfen”, “Stefan Huber voll rehabilitiert” – so jubelt das Lager des CSU-Kreisvorsitzenden Stefan Huber. Ihm waren finanzielle Unregelmäßigkeiten beim Ball “Schanzer Nacht 2023” und auch sonst vorgeworfen worden. Die Ergebnisse einer außerordentlichen internen Kassenprüfung wurden am Sonntagabend von der “Elefantenrunde” (erfahrene und gewichtige CSU-Köpfe wie Horst Seehofer, Hermann Regensburger, Reinhard Brandl, Alfred Grob, Christian Lösel, Albert Wittmann u.a.) beurteilt. Die an CSU-Gremien und Medien übermittelte Erklärung, eine Art zusammenfassendes Protokoll der Gesprächsrunde, interpretieren die Anhänger des Kreisvorsitzenden Stefan Huber als “Freispruch”, seine Gegner als Feststellung von Unregelmäßigkeiten. Hier der Originaltext:

Bericht an den Kreisvorstand der CSU Ingolstadt und an die Fraktion
der CSU im Ingolstädter Stadtrat

Die aktiven und ehemaligen hauptamtlichen Mandatsträger der CSU Ingolstadt haben sich am Sonntag, den 18. Februar 2024 mit dem amtierenden Vorsitzenden der CSU-Stadtratsfraktion, dem Schatzmeister, dem Geschäftsführer und den Kassenprüfern getroffen. Der Kreisvorsitzende Stefan Huber konnte aus gesundheitlichen Gründen an dem Gespräch nicht teilnehmen. Als seine Vertretung war der stellvertretende Kreisvorsitzende Christoper Hofmann anwesend. Am Ende des Gesprächs ist Stadtrat Markus Meyer zu der Runde hinzugestoßen, um ergänzend zur Schanzer Nacht 2023 zu berichten.

Der Anlass des Treffens war die laufende außerordentliche Kassenprüfung. Die Teilnehmer
wollten sich ein gemeinsames Bild der Lage verschaffen, um dann dem Kreisvorstand und der
Stadtratsfraktion darüber zu berichten. Die Kassenprüfung wurde am 19. September 2023 durch den CSU-Kreisvorstand beauftragt, nachdem es angebliche Unstimmigkeiten bei der Abrechnung der Schanzer Nacht 2023 gegeben haben soll. Die Kassenprüfer haben daraufhin nicht nur den Ball, sondern die Kasse der CSU Ingolstadt im Zeitraum vom 01. Mai 2023 bis 31. Dezember 2023 vollständig geprüft.
Im Rahmen der Kassenprüfung hat der Geschäftsführer den Kassenprüfern von sich aus alle
Vorgänge offengelegt, bei denen er sich selbst unsicher war. Sein Ziel war eine korrekte
Kassenführung. Die Kassenprüfer sind jedem Vorgang nachgegangen und haben dort, wo sie
über die Belege hinaus Rückfragen hatten, diese dem Kreisvorsitzenden, dem Schatzmeister
und dem Geschäftsführer gestellt. Aufgrund des angestiegenen Umfangs und gut
nachvollziehbaren zeitlichen Beschränkungen der beteiligten Personen fand die Prüfung im
Wesentlichen schriftlich statt. In den letzten Tagen sind die Fragestellungen der Prüfer
teilweise öffentlich geworden.
Nach dem Gespräch mit allen Beteiligten ergibt sich folgendes Bild:

Es gibt auch nach eingehender Prüfung keinen konkreten Hinweis darauf, dass Geld des CSU-
Kreisverbands entwendet oder veruntreut worden ist.

Bei der Schanzer Nacht 2023 gab es keine umfassende Dokumentation der Kartenvergabe.
Die Kassenprüfer haben deshalb versucht, mittels verschiedener Indikatoren die
Teilnehmerzahl im Nachhinein abzuschätzen, um die zu erwartenden Einnahmen
hochzurechnen. Auf dieser Basis haben sie festgestellt, dass wohl mehrere hundert Karten für
Saal und Foyer verschenkt worden sind. Das war auch in früheren Jahren üblich. Wer in
welchem Umfang Karten verschenken darf, war nicht geregelt und eine Aufzeichnung darüber
fand auch nicht statt. Im Ergebnis lag laut dem Bericht der Kassenprüfer das Defizit der
Veranstaltung bei ca. 1.600 Euro.
Die Kassenprüfer empfehlen für die Zukunft die Einführung einer Geschäftsordnung. Dies ist
bereits in Vorbereitung. Für die Schanzer Nacht 2024 wurde bereits ein neues Verfahren der
Abrechnung eingeführt und Karten nur noch in begrenztem Umfang kostenlos abgegeben.

Der Kreisvorsitzende hat auf seinem Grundstück zwei für die Partei eingesetzte Event-Trailer
(mit CSU-Beklebung) untergestellt und dafür zwei Spendenquittungen für Aufwandsspenden
erhalten. Die Kassenprüfer haben das Vorgehen gerügt, insbesondere auch weil der
Kreisvorstand damit nicht befasst worden ist. Der Vorsitzende hat dies daraufhin selbst noch
einmal geprüft. Nach eigener Auskunft hat er die Spendenquittungen zurückgezogen und nicht steuerlich geltend gemacht. Die Originale wurden entwertet und liegen dem
Schatzmeister vor.

Der Kreisvorsitzende hat für die Durchführung von Social-Media-Aktivitäten ein modernes
Smartphone erhalten. Dafür lag kein Beschluss des Kreisvorstands vor. Dieser ist nachzuholen.
Die Kosten des Vertrags wurden von Anfang an vom Vorsitzenden bezahlt.

Der Kreisvorsitzende hat eine Agentur für die Erstellung eines CSU-Marketingkonzepts
beauftragt. Dafür lag kein Beschluss des Kreisvorstands vor. Dieser ist nachzuholen.

Diese Erklärung ist von erfahrenen Politikern verfasst und bewusst an die Medien gesendet worden. Es ist daher davon auszugehen, dass hier diplomatische Formulierungen für “harte Tatsachen” gefunden wurden. Auch bestand die Absicht, den Streit und die Vorwürfe zu minimieren, um das Ansehen der CSU nicht noch mehr zu schädigen. Dies vorausgeschickt, kann man die Erklärung wie folgt interpretieren (natürliche sind andere Deutungen möglich):

Eine scherzhafte Vorbemerkung: Die Erklärung enthält weder in der Einleitung noch als abschließende Unterschrift Namen der teilnehmenden Personen. Man weiß also nicht, wer das Dokument verantwortet. Wollte hier keiner dabei gewesen sein? 🙂

Die Erklärung stellt zunächst fest, dass die CSU nicht kriminell finanziell geschädigt wurde:

Es gibt auch nach eingehender Prüfung keinen konkreten Hinweis darauf, dass Geld des CSU-
Kreisverbands entwendet oder veruntreut worden ist.

Entwendung/Diebstahl und Untreue als Straftaten werden ausgeschlossen. Es wurde nicht dargelegt, dass die Partei überhaupt nicht geschädigt wurde. Eine Schädigung kann auch durch schlichte Schlamperei erfolgen, ohne dass ein Straftatbestand erfüllt ist.

Hätte man jegliche Schädigung der Partei verneinen und korrektes Verhalten attestieren wollen, so wäre folgende Formulierung nahegelegen:

Die Überprüfung hat ergeben, dass sich der Kreisvorsitzende jederzeit korrekt verhalten hat. Der Partei ist kein finanzieller Schaden entstanden. Die gegen den Vorsitzenden erhobenen Vorwürfe sind haltlos und als böswillig zurückzuweisen.

Stattdessen erfolgt unmittelbar nach der Feststellung, dass keine Straftaten vorliegen, eine Auflistung von Ungereimtheiten/unkorrekten Handlungen:

Keine ordentliche Dokumentation der Verkäufe der Karten und der Vergabe von Freikarten beim Ball 2023. Festgestellt wird auch eine fehlende Regelung der Befugnisse bei der Kartenvergabe.

Weitere Kritik: Der Kreisvorsitzende hat  Spendenquittungen im Zusammenhang mit zwei Anhängern (Event-Trailern), die auf seinem Grundstück standen, erhalten (und natürlich gewollt). Diese wurden “zurückgezogen”, also nicht verwendet. Bei Verwendung falscher Spendenquittungen wäre ein Straftatbestand (Steuerverkürzung) erfüllt gewesen. Der “Rückzug” war nur deshalb möglich, weil natürlich für 2023 glücklicherweise noch keine Steuererklärungen abgegeben wurden. Belege aus den den vorangegangenen Jahren wurden von dieser Sonderprüfung nicht erfasst.

Kritisiert wurde auch die Anschaffung eines “modernen” Smartphones für den Vorsitzenden ohne Mitwirkung des Kreisvorstandes.

Schließlich wurde reklamiert, dass Huber ohne Mitwirkung des Kreisvorstandes eine Marketingagentur für die Erstellung eines CSU-Marketingkonzeptes beauftragt hat. Ein Marketingkonzept ist viel mehr als eine einfache Zeitungsanzeige und sollte im Kreisvorstand vorab behandelt werden (Inhalt und auch Auswahl der Agentur).

Damit endet die Mitteilung der “Elefantenrunde”. Sehr “glückliche Elefanten” hätten vielleicht ergänzt:

Wir danken dem Kreisvorsitzenden für seine ausgezeichnete Arbeit und wünschen ihm auch in der Zukunft im Interesse unserer Partei viel Erfolg.

Aber wie sieht die Zukunft des Kreisvorsitzenden Huber nach dieser Einschätzung der “Elefantenrunde” aus? Und wie wird Markus Söder reagieren, wenn er die Süddeutsche Zeitung liest. Die verspottet ihn, weil er den CSU-Ball als “schönsten Ball Bayerns” bezeichnet hat und nun erfahren muss, dass Hunderte von Freikarten verschenkt wurden und das “glänzende Ereignis” defizitär war?