Auf-Bruch-Stimmung

Erneuerung der CSU: Brechen die Dämme und wird das Establishment weggespült?
Am Gründonnerstag wird, so ist das CSU-Kreisen zu hören, die neue Fraktion ihre Vorsitzenden wählen. Es spricht alles dafür, dass Alfred Grob der neue Fraktionsvorsitzende werden wird. Wer denn sonst? Doch schon bei der Wahl der Stellvertreter könnte es spannend werden.

Nach einem eher als missglückt zu bezeichneten Versuch des Ortsverbandes Südost, durch einen Vorstandsbeschluss Neuwahlen des gesamten Kreisvorstandes der CSU herbeizuführen, wird es jetzt für das politische Establishment der Partei ernst. Die Junge Union mit Matthias Witzani und Markus Meyer an der Spitze fordert ihrerseits vorgezogene alsbaldige Neuwahlen für den gesamten Kreisvorstand. Und diesmal könnte es in der CSU zu einem Flächenbrand kommen. Die Aktion war offensichtlich medial gut vorbereitet. An prominenter Stelle berichtete der Donaukurier einen Tag vor der anstehenden Wahl der Fraktionsspitze über die Forderungen. Und prominente und einflussreiche Unterstützer im Hintergrund sollen die beiden auch haben.

Auf den ersten Blick könnte man meinen, dass die Wahl der Fraktionsführung und der Kreisvorstand der CSU nur wenig miteinander zu tun haben. Doch Auslöser der Proteste gegen den amtierenden Kreisvorstand im Südosten und bei der Junge Union waren wohl zwei Ereignisse, die sehr wohl die Fraktion betreffen.

Politischer “Meuchelmord“ an Patricia Klein

Für viele in der CSU ist es ein offenes Geheimnis, dass die bisherige Fraktionsvorsitzende Patricia Klein ihr Amt nicht freiwillig aufgegeben hat. Die zurückhaltendere Formulierung, die in Parteikreisen kursiert, spricht von „Mobbing“. Man habe Klein einfach den Stuhl vor die Tür gestellt und sie zum Rücktritt bewegt, ohne ihr überhaupt die Möglichkeit gegeben zu haben, sich gegen erhobene Vorwürfe zu wehren. Daher macht auch der Begriff des politischen „Meuchelmordes“ in der CSU die Runde.

Für viele in der Partei, insbesondere die Jüngeren, war Patricia Klein die Repräsentantin eines neuen Stils und Kurses. Sie konnte zwar die Positionen der CSU im Stadtrat durchaus mit Schärfe vertreten, wurde aber auch von den anderen Parteien/Gruppierungen als Gesprächspartnerin auf der Suche nach Kompromissen geschätzt. Patricia Klein hätte jetzt beste Chancen gehabt, CSU-Bürgermeisterin zu werden.

Wer soll die CSU vertreten?

Verärgerung hat in der CSU auch ausgelöst, wer als Vertreter der Partei mit der SPD und den anderen verhandelt. Dass hier Alfred Grob erste Wahl war, zweifelt niemand an. Doch dass Alexandra Sitzmann als zweite Person die Interessen der CSU vertritt, hat zum Teil große Verärgerung ausgelöst. Hier sind einige der Meinung, nach der offensichtlich kurzfristigen Absage durch Christian Lösel, der ursprünglich wohl vorgesehen war, hätte die noch amtierende Fraktionsvorsitzende, also Patricia Klein, eingebunden werden müssen. Alexandra Sitzmann ist lediglich Fraktionsgeschäftsführerin. Allerdings auch stellvertretende Kreisvorsitzende argumentieren ihre Befürworter.  Stellvertreter des Kreisvorsitzenden sind aber auch Tanja Stumpf und Hans Wöhrl sowie Matthias Schickel. Tanja Stumpf ist zudem Vorsitzende eines Ortsverbandes. Schickel und Franz Wöhrl sind gewählte Stadträte. Dabei gilt Schickel bei vielen in der Partei als Hoffnungsträger und Wöhrl als beliebter Stimmenkönig, der nach Auffassung von CSU Mitgliedern mehr zu sagen haben müsste.

Hinzu kommt, dass Alexandra Sitzmann als verlängerter politischer Arm von Albert Wittmann angesehen wird. Der sitze in Wahrheit mit am Verhandlungstisch bei den Gesprächen mit anderen Parteien und das sei eher kontraproduktiv. Im alten Stadtrat habe er als Hardliner eher Gräben aufgerissen als für Verständigung gesorgt .

Der “Fehlgriff“ bei der Auswahl des zweiten CSU-Verhandlungsführers wird Alfred Grob angelastet. Das dürfte aber seine Chancen, zum Fraktionvorsitzenden gewählt zu werden, nach Kleins Abgang nicht mindern. Er gilt im Außenverhältnis als das „freundliche Gesicht“ der CSU und wird innerhalb der Partei/Fraktion sehr wohl für befähigt gehalten, zu versöhnen und eine sanfte Erneuerung der Partei in Gang zu setzen.

Manchen in der CSU geht das aber zu langsam – allen voran der Jungen Union. Die Jungen in der CSU fühlten sich bei der Aufstellung der CSU-Stadtratsliste schlecht repräsentiert und starteten daraufhin die Junge Liste, die auf Anhieb zwei Sitze errang. Mit Markus Meyer und Veronika Hagn sitzen somit zwei junge Vertreter des konservativen Lagers im Stadtrat, die die Zukunft noch vor sich haben. Die tüchtige Anwältin Veronika Hagn hat zudem noch den Vorteil, eine Frau zu sein, gehört also einer in der CSU begehrten Minderheit an.

Meyer und Hagn kommen natürlich bei der bevorstehenden Wahl der Fraktionsspitze der CSU-Fraktion nicht infrage, weil sie dieser Fraktion gar nicht angehören. Die beiden werden aber, wie viele in der CSU, die Wahl der Fraktionsspitze mit Argusaugen beobachten. Zwar gibt es Skeptiker, die meinen, solange Albert Wittmann noch im Stadtrat sitzt, sei es völlig egal, wer unter ihm an der Spitze der Fraktion stehe. Doch die CSU-Fraktion könnte bei der Wahl ein Zeichen setzen und damit auch die Basis, die eine Erneuerung und Verjüngung der Partei fordert, beruhigen.

Wenn Alfred Grob klug ist (und das ist er!), dann wird er sich nicht den Zorn der Parteibasis dadurch zuziehen, dass er die Aufarbeitung des aus Sicht der CSU katastrophalen Wahlergebnisses auf die lange Bank schiebt und sich vorzeitigen Neuwahlen des Kreisvorstandes widersetzt. Grob möchte zwar die Diskussion mit der Partei gern von Angesicht zu Angesicht führen. Sollte dies aufgrund der Corona-Krise auf absehbare Zeit wegen Einschränkungen der Versammlungsfreiheit nicht möglich sein, muss er auf die digitale Kommunikation setzen. Spätestens nach der konstituierenden Sitzung des neuen Stadtrates, bei der ja auch die weiteren Bürgermeister und der erste Referent gewählt werden, ist der Zeitpunkt für eine umfassende Diskussion in der CSU gekommen. Bis dahin sollten die Kritiker stillhalten, damit Grob – mit wem auch immer an seiner Seite – für die CSU gute Vereinbarungen mit den anderen Parteien aushandeln kann.

Die Debatte um die vorzeitige Neuwahl des Kreisvorstandes dürfte an Schärfe zunehmen. Doch geht es hier nicht um den Untergang des christlichen Abendlandes. Sinnvoll dürfte es sein, eventuell vorgezogene Neuwahlen erst dann abzuhalten, wenn der Prozess der Aufarbeitung in den Ortsverbänden und Arbeitsgemeinschaften bereits ein bestimmtes Stadium erreicht hat.

Alfred Grob würde die Arbeit sehr erleichtert, wenn Albert Wittmann und Christian Lösel als Vertreter des Partei-Establishments ihren Sitz im Stadtrat aufgeben würden. Damit würde ein Zeichen gesetzt, dass die Erneuerung in der CSU begonnen hat. Dies würde nicht ausschließen, dass Alfred Grob die beiden gelegentlich um Rat fragt, wenn er als Neuling in der Fraktionsführung mal ein Problem haben sollte. Aber dazu wird es wohl nicht kommen.

Grob, Lösel und Wittmann laufen in Gefahr, dass es in der Partei zu Brüchen, aber keinem Aufbruch kommt und die Stimmung noch schlechter wird.

Klarstellung wegen zahlreicher Reaktionen: Soweit aus CSU-Kreisen zitiert wird, ist dies nicht unbedingt die Meinung des Autors, sondern die Wiedergabe vernommener Äußerungen.