In Schweden gibt es kaum staatliche Beschränkung der persönlichen Freiheit. Ist das der richtige Weg zur Bekämpfung des Corona-Virus? Kommentar von Hermann Käbisch
Bundeskanzlerin Angela Merkel, in der Corona-Krise auf den Bildschirmen omnipräsent, ist zur Zeit beliebt wie schon lange nicht mehr. Doch nun hagelte es harsche Kritik: Von “Öffnungsdiskussionsorgien” soll die Bundeskanzlerin gesprochen haben, sichtlich verärgert darüber, dass überall darüber diskutiert wird, wann und wie die derzeitigen Beschränkungen der persönlichen Freiheit endlich gelockert bzw. aufgehoben werden könnten/sollten. Das war einigen Befürwortern von Lockerungen doch zuviel und sie wiesen insbesondere darauf hin, dass die Anwendung des Infektionsschutzgesetzes, das die Grundlage für die Freiheitsbeschränkungen darstellt, eigentlich Ländersache ist und die Kanzlerin an sich nicht viel mehr als moderieren und einen Konsens zwischen den Regierungschefs der Länder herstellen kann. Fakt ist, dass Merkel und die Mehrzahl der Ministerpräsidenten, darunter insbesondere Markus Söder, die Beschränkungen nur sehr vorsichtig locker möchten, da sie trotz passabler Zahlen bei der Entwicklung der Krankheitsfälle einen Rückfall und insbesondere eine zweite Infektionswelle befürchten.
Sehr locker sieht man das Ganze in Schweden. Dort gibt es sehr wenige Beschränkungen, es wird zumeist nur an die Einsicht der Bürger appelliert. Offenbar geht man in Schweden auch davon aus, dass alsbald eine sogenannte Herdenimmunität erreicht werden könnte. Davon spricht man, wenn ein hoher Prozentsatz der Bevölkerung gegen eine Krankheit immun ist, weil er die Krankheit hinter sich hat oder geimpft wurde. Ein Virus kann sich dann nicht stark verbreiten, wenn die meisten schon immun sind. Fragt sich nur, ob das schwedische Modell tatsächlich so viele Vorzüge hat. Am 21 April 2020 wurden für Schweden insgesamt 1765 Todesfälle aufgrund des Coronavirus-Virus gezählt. Das sind pro eine Million Einwohner 156 Todesfälle. Die Vergleichszahlen: Deutschland 58, Norwegen 33, Finnland 18 (beide Länder gehen nicht den schwedischen weg, sondern haben strenge Beschränkungen) und Italien 399 (Das Land wurde vom Virus unvorbereitet und als erstes europäisches Land voll getroffen). Rechnet man die schwedische Sterberate auf Deutschland um, so ergibt sich eine Zahl von knapp 18.000 Toten. Tatsächlich sind in Deutschland bisher aber lediglich etwa 5100 Menschen an den Folgen des Corona-Virus gestorben. So stellt sich die Frage, wie hoch der Preis ist, der gezahlt werden muss, wenn die Freiheitsbeschränkungen stark gelockert und möglicherweise Herdenimmunität angestrebt wird. Ist dieser Blutzoll gerechtfertigt?