Hermann Käbisch: Abschalten statt Information in der Corona-Krise? (Kommentar)

Auf der Homepage einer Ingolstädter Praxis für Homöopathie und Allgemeinmedizin empfiehlt ein Arzt, zur Vorbeugung  einer Corona-Erkrankung die Nachrichten in den Medien zu ignorieren. Schützt Unwissenheit vor Erkrankung?

Ein Ingolstädter Arzt informiert auf seiner Homepage seine Patienten. Das ist nicht ungewöhnlich und im Prinzip zu begrüßen. Doch der Mediziner differenziert. Während das, was er für richtig hält, wohl schon zur Kenntnis genommen werden soll, vertritt er die Meinung, seine Patienten (an die wendet er sich ja auf seiner Homepage) sollten sich nicht dem Stress der derzeitigen Nachrichten aussetzen, sich also nicht über die aktuelle Lage bei der Bekämpfung des Corona-Virus informieren.

Unter der Überschrift „Praxisinformationen zur Corona-Pandemie“ gibt der Mediziner zwar immerhin die Telefonnummer der Hotline des Bayerischen Gesundheitsministeriums an. Im Kapitel „Vorbeugung und Behandlung“ schreibt er aber:

Am wichtigsten halte ich zudem folgende Aspekte, die in der aktuellen Diskussion nahezu völlig ausgeblendet werden. Sie dienen der grundlegenden Gesunderhaltung und sind bei jeder Infektion die wichtigsten Elemente, damit aus der Infektion keine Krankheit entsteht:

Vermeidung von Stress (dazu gehört u.U. das Abschalten von Nachrichten, da durch die derzeitige Berichterstattung und die starken Einschränkungen bei vielen Leuten Angst ausgelöst wird).“

er empfiehlt stattdessen vollwertige Ernährung mit einem hohen Anteil an Obst und Gemüse, ausreichende Vitaminversorgung und viel Bewegung.”

Gesellschaftspolitisch erteilt er schließlich den auf der Homepage eines Arztes nicht unbedingt erwarteten Rat:

Achten sie auch auf Versuche, die Krise politisch für die eigenen Ziele zu missbrauchen. Stehen Sie hinter den demokratischen Grundprinzipien und lassen Sie uns gemeinsam Versuche abwehren, unsere demokratischen Grundrechte zu unterhöhlen. Als Beispiel sei hier nur eine Überlegung genannt, Bewegungsprofile durch Abgreifen der Handynutzungsdaten zu erfassen, um die Ausgangsregelungen zu kontrollieren!“

Es stellt sich die Frage, ob der Mediziner mit diesen Hinweisen und Mahnungen nicht in erster Linie seine gesellschaftspolitischen Ansichten verbreiten will, statt die von einem Mediziner erwartete Hilfestellung zu leisten. Ohne die in den Medien angebotenen Informationen kann ein Patient gar nicht wissen, wie er sich beispielsweise in der Öffentlichkeit derzeit verhalten muss, um zu vermeiden, dass gegen ihn wegen einer Ordnungswidrigkeit oder einer Straftat ermittelt wird. Es gilt nämlich, auch wenn das der Mediziner vielleicht nicht wahrhaben mag, der Grundsatz: Unwissenheit schützt vor Strafe nicht.

Auch auf die von anerkannten medizinischen Koryphäen und auf die Bekämpfung von Pandemien spezialisierten Institutionen erteilten Ratschläge sollte der Bürger nicht verzichten. Wie soll der Bürger ohne die Medien erfahren, dass Masken (und insbesondere welche), Mindestabstände und das Waschen der Hände statistisch zur Verringerung der Ansteckungsgefahr beitragen? Woran soll sich eine Mutter, die Anspruch auf Notbetreuung hat, orientieren, wenn sie entscheiden muss, ob das Kind in die Kita gehen oder zu Hause bleiben soll?

Und die Aussage, dass Informationen von Medien hauptsächlich Stress verursachen, ist auch nicht haltbar. Es wird in den Medien auch vermeldet, dass Impfstoffe entwickelt werden und die berechtigte Hoffnung besteht, dass dadurch die Pandemie eingedämmt werden kann. Aus den Medien erfahren die Bürger auch, wer sich wann impfen lassen kann. Und dass keine Impfpflicht besteht (was den Mediziner wahrscheinlich beruhigt) kann man auch den Nachrichten entnehmen.

Abgesehen davon enthalten die Nachrichten viele andere Informationen, die mit Corona nichts zu tun haben. So erfahren die Bürger auch, ob sie einen finanziellen Ausgleich für Verluste erhalten, die durch die Restriktionen verursacht worden sind. Das kann finanzielle Notlagen lindern und damit auch Stress vermeiden. Und wenn in der Tagesschau zu sehen ist, wie Donald Trump das Weiße Haus verlässt, kann das bei dem ein oder anderen sogar Freude hervorrufen.

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