Die Bauern protestierten und andere versuchten, für sich Vorteile daraus zu ziehen.
Das war wirklich furchterregend. Endlose Kolonnen großer Traktoren blockierten die Straßen. Und es gab Großkundgebungen, auf denen die Bauern mit ihren beeindruckenden riesigen Fahrzeugen Macht demonstrierten. Sogleich sprangen einige auf diesen Protestzug, um selbst davon zu profitieren. Dazu einige Anmerkungen:
1.
Bauern können (wie Lkw-Fahrer) mit ihren sperrigen Fahrzeugen den Verkehr lahmlegen und damit für Aufsehen sorgen. Die Verkäuferin oder das Pflegepersonal, das vielleicht weniger verdient als die Landwirte, hat derartige publikumswirksame “Waffen” nicht zur Verfügung. Wenn ein Bauer wegen Unrentabilität seinen Betrieb aufgeben muss, bleibt ihm der Grundbesitz. Was bleibt dem normalen Arbeitnehmer, wenn er seinen Arbeitsplatz verliert? Zu bedenken ist auch, dass es “die Bauern” nicht gibt. Es existieren speziell in Nord- und Mitteldeutschland riesige Betriebe, die sich mit einem Alm-Bauern oder Nebenerwerbslandwirt in Bayern nicht vergleichen lassen. Letztere bedürfen viel eher staatlicher Subventionen als die “landwirtschaftlichen Fabriken” im Norden.
2.
Springers Zeitung “Die Welt” und die ebenfalls konservative “Neue Zürcher Zeitung” haben in Zusammenhang mit den Bauernprotesten darauf hingewiesen, dass sich die Einkommen der Bauern in den letzten zwei Jahren im Durchschnitt deutlich erhöht haben. Die Züricher Zeitung titelte: “Deutsche Bauern jammern auf hohem Niveau – das Auslaufen der Vergünstigung für Agrardiesel treibt die Landwirte auf die Straße – dabei sind ihre Einkommen jüngst kräftig gestiegen.” Wird für diese Einkommensentwicklung auch die Ampel-Regierung in Berlin verantwortlich gemacht?
3.
Viele haben sich, auch in der Region Ingolstadt, spontan solidarisch mit den Bauern erklärt. Darunter auch zahlreiche Mittelständler. Der eine oder andere sollte dabei durchaus mal überprüfen, was er eigentlich seinen Mitarbeitern an Löhnen bezahlt. Und wer zur Umgehung des deutschen Lohnniveaus in Orbans Ungarnland produziert, sich aber als regionaler Mittelständler “verkauft”, ist nur bedingt glaubwürdig.
4.
Ein Wort noch zu den politischen Parteien: Söder und Aiwanger rannten um die Wette, um ja bei keiner Kundgebung der Bauern zu fehlen. Politische Trittbrettfahrer nennt man das. Aiwanger ist zwar nicht Landwirtschaftsminister, ist aber stets dabei, wenn es darum geht, Stimmung gegen “die in Berlin” zu machen. Dabei möchte er doch selbst gern dort oben sitzen. Und Söder, der mehr von Selbstvermarktung als Arbeitseifer (welcher deutsche Ministerpräsident versäumt mehr Sitzungen im Landtag als Söder? Keiner) geprägt ist, der vertuscht geflissentlich: Von 2005 bis 2018 stellte die CSU im Bund die Landwirtschaftsminister (von 2018 bis 2021 die CDU). Dieser lange Zeitraum hat die Situation der Landwirte stärker geprägt als die letzten zwei Jahre. Aber die Funktionäre der Bauern hatten in dieser Zeit eine Beißhemmung, schließlich steht man ja den Unionsparteien sehr nahe. Ein Wort zur AfD, die sich den Bauern mit einem “Sofortprogramm” anbiedern möchte. Den Bauern ist zu raten, einen Blick in das Grundsatzprogramm der AfD zu werfen. Dort werden Subventionen abgelehnt. Von einer “entlarvenden Bauern-Strategie der AfD” spricht das renommierte Handelsblatt.