Fakten und Gerüchte: Korruptes System? (Teil 1)

 

Am 27. Dezember 2017 hat sich Heribert Fastenmeier in der Untersuchungshaft das Leben genommen. Der frühere Klinikchef hinterließ die Botschaft, er habe vor dem “korrupten System” resigniert. Gibt es ein solches System?

Vor zwei Jahren nahm sich der frühere Geschäftsführer des Klinikums Ingolstadt, Heribert Fastenmeier in Untersuchungshaft in der JVA Gablingen das Leben.Vor vier Jahren, um die Jahreswende 2015/2016, hatte der Ombudsmann des Klinikums, der Jurist Franz Xaver Goldbrunner, mit einem Schreiben an Oberbürgermeister Christian Lösel und danach mit einer Strafanzeige bei der Staatsanwaltschaft Ingolstadt Ermittlungen in Gang gesetzt. Deren Ziel es war, Unregelmäßigkeiten im Krankenhaus strafrechtlich zu überprüfen. Es entwickelten sich daraus zahlreiche Verfahren. Das wohl bekannteste war der Strafprozess gegen den früheren Ingolstädter Oberbürgermeister Alfred Lehmann. Dieser wurde im Oktober dieses Jahres zu einer Freiheitsstrafe von zwei Jahren (auf Bewährung) wegen Korruptionsstraftaten (Vorteilsannahme und Bestechlichkeit) verurteilt. Das Strafverfahren gegen Fastenmeier, in dem immerhin bereits Anklage erhoben worden war, endete durch dessen Tod. In diesem und weiteren Beiträgen soll der Frage nachgegangen werden, ob es das von Fastenmeier behauptete “korrupte System” wirklich gab. Er hatte dieses System in hinterlassenen Briefen beklagt und erklärt, dass er davor resigniere (https://www.donaukurier.de/lokales/ingolstadt/Ingolstadt-DKmobil-Affaere-Klinikum-Ingolstadt-wochennl010218-Ein-Manager-bis-zum-bitteren-Ende;art599,3639594).

Ein Fehler des Systems?

Es wird sehr schnell behauptet, durch die Schaffung von städtischen Tochtergesellschaften leide die Transparenz des politischen Handelns und es würde der Korruption Vorschub geleistet. Die Aufdeckung der Unregelmäßigkeiten im Umfeld des Klinikums und des früheren Oberbürgermeisters Alfred Lehmann (bei ihm war neben dem Klinikum auch die städtische Tochtergesellschaft IFG involviert) zeigt aber, dass dieser Schluss überhaupt nicht zwingend ist. Im Gegenteil: Möglicherweise kam das Verfahren gegen Fastenmeier nur deshalb in Gang, weil es im Klinikum ein Kontrollsystem gab, das damals nur dort und nicht bei der Stadt Ingolstadt selbst existierte.

Zum Verständnis: Die Stadt Ingolstadt und der Bezirk Oberbayern sind die Gesellschafter des  Krankenhauszweckverbandes Ingolstadt. Der Verband wiederum ist alleiniger Gesellschafter der Klinikum Ingolstadt GmbH, die das Krankenhaus betreibt. Als das Verfahren gegen Heribert Fastenmeier durch die Strafanzeige (Januar 2016) ins Rollen kam, war Fastenmeier alleiniger Geschäftsführer der Klinikum Gmbh und Geschäftsleiter des Zweckverbandes. Seine “Chefs” waren bis April 2014 Alfred Lehmann, danach Christian Lösel, jeweils als Oberbürgermeister der Stadt Ingolstadt Vorsitzende des Aufsichtsrats der Klinikum GmbH (bestehend aus Stadträten als Vertreter der Stadt und Mitgliedern, die vom Bezirk Oberbayern entsandt werden) und Vorsitzende der Zweckverbandsversammlung (Kontrollgremium des Zweckverbandes). Die Funktion des Vorsitzes in diesen Gremien bedeutet: Sitzungsleitung, Vollzug der Beschlüsse und Anlaufstelle für die Aufsichtsräte und Mitglieder der Zweckverbandsversammlung. Der jeweilige Vorsitzende stand in ständigem und engen Kontakt mit Fastenmeier. Alfred Lehmann war offensichtlich auch nach seinem Ausscheiden aus dem Amt des Oberbürgermeisters mehr als ein “normales” Aufsichtsratsmitglied. Das wurde noch bei der Managementtagung des Klinikums im Frühjahr 2016 erkennbar, als er (und nicht OB Lösel, der da wohl gar nicht anwesend war) sich öffentlich gegenüber Fastenmeier positionierte.

An der Aufdeckung der strafrechtlich relevanten Vorgänge im Klinikum waren zunächst weder Lehmann, Lösel noch die Aufsichtsräte oder Mitglieder der Zweckverbandsversammlung (also Stadträte) beteiligt. Auch den Medien kann man keine Enthüllungserfolge attestieren. Man könnte daraus den Schluss ziehen, dass sie alle und insbesondere das Kontrollsystem versagt hätten. Das Gegenteil ist der Fall.

Aufgrund einer Vereinbarung zwischen der Geschäftsführung (also Fastenmeier) und dem Betriebsrat des Klinikums wurde 2014 ein Ombudsmann installiert. Dieser sollte im Klinikum Anlaufstelle für Informationen sein. Er sollte verhindern, dass im Klinikum und aus dem Klinikum heraus Gesetzesverstöße, insbesondere Straftaten begangen werden. Ein besonderes Augenmerk wurde also auf Compliance, die Regeltreue und Einhaltung von Vorschriften, gelegt. Mauscheleien sollten unterbunden werden. Der Ombudsmann ist verpflichtet (!), über Vorgänge, die ihm zu Ohren kommen, die Verantwortlichen des Klinikums und gegebenenfalls die Staatsanwaltschaft zu unterrichten. Und genau das hat er gemacht. Das System hat also funktioniert. Einen Ombudsmann wie im Klinikum gab es zum damaligen Zeitpunkt bei der Stadt Ingolstadt selbst nicht! Es stellt sich daher die Frage, ob die Straftaten überhaupt aufgedeckt worden wären, wenn das Klinikum nicht eine eigenständige GmbH, sondern eine Abteilung der städtischen Verwaltung gewesen wäre.

Der entscheidend aktiv gewordene Ombudsmann war Franz Xaver Goldbrunner. Der langjährige Arbeitsrichter war damals nach seiner Pensionierung als Rechtsanwalt tätig. Ombudsmann wurde er im November 2014. Er wurde vom Klinikum dazu berufen und kannte sowohl Heribert Fastenmeier als auch den Vorsitzenden des Betriebsrats. Beide waren in seiner Kammer des Arbeitsgericht schon als Beisitzer tätig gewesen.

Aber woher hatte Goldbrunner die Informationen, die er weiter leitete? Hier gibt es wilde Gerüchte. Die Rotarier (gemeint sind Chefärzte) sollen Fastenmeier ins Verderben geschickt haben. Manche glauben gar, Alfred Lehmann hätte da eine Rolle gespielt, weil ihm der Klinikchef, mit dem er an sich gut zusammengearbeitet hatte, zu mächtig und eigensinnig geworden sei. Und Lehmann, der später in anonymen Briefen belastet wurde, soll ein Opfer selbsternannter Illuminaten, zu denen wiederum Fastenmeier Zugang gehabt haben soll, geworden sein.

Dazu mehr in 14 Tagen an dieser Stelle.