Nach der Wahl ist vor der Wahl

Gastkommentar von Hermann Regensburger zur Kommunalpolitik

Kommunalpolitisch erinnert mich 2020 an das Jahr 1966, als ich Mitglied der CSU wurde.

1966 verlor die CSU die Oberbürgermeisterwahl, konnte keinen Bürgermeister stellen und war zur „Opposition“ verdammt. Allgemeine Meinung: Wir müssen Ingolstadt  die nächsten 25 Jahre für die CSU abschreiben.

Diese Wahlniederlage  setzte in der Partei ungeahnte Kräfte frei. In den fast 55 Jahren, die ich als Parteimitglied überblicken kann, war dies die aktivste Zeit in der Ingolstädter CSU.

Damals habe ich mir gemerkt, dass man in der Politik nie voreilig nie sagen sollte. Denn 6 Jahre  später gewann Peter Schnell die OB-Wahl, wir hatten eine stabile „Regierungskoalition“ mit der UW und die CSU stellte mit mir einen weiteren Bürgermeister.

Dies war auch die Geburtsstunde der „Ingolstädter Information“, eines im Wesentlichen anzeigenfinanzierten Mitteilungsblattes der CSU.  Zunächst als ganzseitige Anzeige im DK, später als Beilage zum DK und schließlich als eigene Zeitung mit monatlicher, bei Bedarf auch wöchentlicher Erscheinungsweise.

Heute ist die Medienlage grundlegend anders. Neben dem DK berichtet eine Vielzahl neuer Medien.

Hinzu kommen die sog. Sozialen Medien, die immer mehr Bedeutung auch für die politische Diskussion bekommen. Man muss sie nur nutzen; was von meiner Partei in den letzten Jahren vernachlässigt wurde.

In der neuen Konstellation mit 11 Parteien und Gruppierungen im Ingolstädter Stadtrat muss sich die CSU neu erfinden. Mit neuen Führungspersönlichkeiten und neuen zeitgemäßen Konzepten.

Nach 50 Jahren „Regierung“ weiß sie vermutlich gar nicht wie Opposition geht. Aber Halt: Nach den Vorstellungen des neuen OB soll es ja weder Regierungskoalition noch Opposition im Stadtrat geben. Er will alle einbinden. Auch die AfD?

Eine Herkulesaufgabe. Und das in Zeiten der Coronakrise und der folgenden sicher sehr schwierigen  Jahre der Bewältigung der Krisenfolgen.

Nach der Wahl ist vor der Wahl. 11 Parteien und Gruppierungen gehören dem Stadtrat an. Natürlich werden sich alle profilieren und nicht auf Dauer in der Konsenssoße untergehen wollen. Friede, Freude, Eierkuchen wird also nach meiner Einschätzung nicht lange anhalten. Einige Stadträte mit besonders ausgeprägtem Selbstbewußtsein werden dieses nach der Wahl nicht abgelegt haben.

Trotzdem ein interessantes Experiment, für das ich dem neuen OB  viel Glück wünsche.