Vom Chorsänger im Ingolstädter Münster zum Geigenbauer in Los Angeles
Rund um den Globus tummeln sich Ingolstädter, die je nach Entfernung und Abwesenheitsdauer mehr oder weniger leicht als solche zu identifizieren und aufzuspüren sind. Manche von ihnen begegnen uns direkt als Gesicht oder Stimme in Film, Funk und Fernsehen, andere indirekt als Komponist eines Werbejingles oder als Designer eines Kleides. Petra Regensburger folgt den Lebenslinien abtrünniger Schanzer und bittet sie zum Gespräch.
Diesmal im Interview:
Georg Eittinger – Geigenbaumeister – Los Angeles
Spricht man mit Georg Eittinger, spürt man schnell seine innige Verbundenheit mit Ingolstadt. Der wichtigste Schauplatz seiner Jugend ist das Ingolstädter Münster. Für ihn ein Ort der Musik. Hier ist sein Vater Chorleiter. Der Sohn singt im Chor und spielt im Orchester. Die Münsterjugend und das Pfarrheim sind sein zweites Zuhause. Er nimmt an Klavier- und Geigenwettbewerben teil und legt in der legendären Münster-Disco Platten auf. Doch irgendwann ist alles getan. Die Schwestern sind schon weg. Sie studieren Musik. Der Ingolstädter bewirbt sich neben anderen 1500 Kandidaten an der weltbekannten Geigenbauschule in Mittenwald und wird aufgenommen. Mit 22 Jahren hat er seinen Gesellenbrief und bald darauf seinen Meisterbrief in der Tasche.
„Holz ist ein Medium, das mir immer sehr nahe war“, meint er bescheiden. Er arbeitet er beim Münchner Geigenbauer Peter Benedek, vorwiegend für die Oper und die Philharmoniker. Zu jener Zeit erscheint die Bibel der Geigenrestauration von Hans Weisshaar, dem wichtigsten Geigenbauer der USA. „Ich hab` sofort gewusst, das ist die Werkstatt, wo ich hin will!“, erinnert sich Eittinger. Er schafft den Sprung nach Los Angeles und verfeinert sein Kunsthandwerk bei der Weisshaar-Company. Im Fokus stehen dort Handel, Restauration und Wartung von antiken Einzelstücken. Treue Kunden wie Yehudi Menuhin oder Nathan Milstein geben sich die Werkstattklinke in die Hand.
In jener Zeit lernt er auch seine zukünftige Frau Ann kennen, die er einige Jahre später im Ingolstädter Münster „mit großem Tamtam und vollem Orchester“ heiraten wird. Nach einem Intermezzo als Werkstattleiter im alten Betrieb in München, gehen die Beiden nach London. Eittinger folgt dem Ruf von J & A Beare, der höchsten Instanz im Geigenhandel. Nun ist er als Restaurator weltweit bei Instrumenten-Auktionen unterwegs. In der Werkstatt betreut er prominente Künstler wie Nigel Kennedy oder Vanessa-Mae. Der Auftrag für Beare, eine neue Werkstatt in Dallas aufzubauen, führt ihn zurück in die USA. 2004 bekommt er schließlich das Angebot, die traditionsreiche Weisshaar-Company zu übernehmen und findet in L.A. seine zweite Heimat. Eine der altehrwürdigen Geigen, die er dort regelmäßig wartet, ist, mit einem Wert von circa 18 Mio. Dollar, als teuerstes Musikinstrument der Welt bekannt: die „Vieuxtemps 1741“ von Giuseppe Guarneri del Gesù.
Das Interview:
Was wollten Sie als Kind werden und welchen Beruf haben sich Ihre Eltern für Sie vorgestellt?
Fotografie hat mich interessiert. Auf den Geigenbau ist zunächst mein Vater gekommen und das fand ich dann schon auch recht gut.
Was hat Sie dazu bewogen, aus Ingolstadt wegzugehen?
Die beruflichen Möglichkeiten und natürlich, etwas Anderes zu sehen. Bei uns hängt am Kühlschrank ein Spruch: „Life begins at the edge of your comfort zone“.
Kommen Sie noch ab und zu in Ihre Heimatstadt?
Recht oft, meine Mutter lebt in Ingolstadt.
Was ist Ihre schönste Erinnerung an Ingolstadt? .. an was erinnern Sie sich weniger gern?
Da gibt es viele schöne Erinnerungen… unsere Hochzeit im Münster. Weniger schön… Kälte und Nebel im Herbst und Winter.
Falls Sie Gäste in Ingolstadt herumführen würden…Was würden Sie ihnen auf jeden Fall zeigen?
Das Münster und die Klais-Orgel, Victoriakirche, Hohe Schule und Altstadt, Biergarten am Mooshäusl und Schutter.
Was lassen Sie sich mitbringen, wenn Sie Besuch von Daheim bekommen?
Händlmaier-Senf. Super wäre auch Solnhofener Holzofenbrot!
Ist Heimat für Sie ein Ort oder ein Gefühl?
Auf jeden Fall ein Gefühl.
Wenn Sie eine Sache in Ingolstadt verändern dürften: Was wäre das?
Das Kulturangebot.
Was war, in beruflicher Hinsicht, das Aufregendste, was Ihnen im letzten Jahr passiert ist?
Sehr aufregend war Covid und die immer wieder gestrichenen Flüge bei der Lufthansa.
Wann vergessen Sie die Zeit?
Beim Geigenschnecken-Schnitzen.
Wofür würden Sie mitten in der Nacht aufstehen?
Bei einem Erdbeben.
Könnten Sie sich vorstellen, irgendwann einmal wieder in Ingolstadt zu leben?
Wer weiß… kommt Zeit kommt Rat.
Fotos: oh