OUT OF INGOLSTADT – Thomas Schneider (CERN) – Schweiz/Frankreich

Petra Regensburger folgt den Lebenslinien abtrünniger Schanzer und bittet sie
zum Gespräch. Diesmal: Thomas Schneider – Europäische Organisation für
Hochenergiephysik (CERN) – Schweiz/Frankreich

„Ein Teilchenbeschleuniger ist im Endeffekt ein riesiges Mikroskop“, erklärt mir Thomas Schneider. Seit über zwanzig Jahren arbeitet er bei CERN, der Europäischen Organisation für Hochenergiephysik, in Genf. 

Auf der Suche nach Elementarteilchen ist er an der Entwicklung und am Bau von so ungeheuerlichen Dingen wie Myonen-Kammern und Rich-Detektoren beteiligt. Als Mechanical Engineer und Leiter des Dünnschicht-Labors im Physics-Department berät er Wissenschaftler darin, was wie technisch umsetzbar ist und installiert mit seinem Team die Experimente.

So bastelt er zum Beispiel an den Versuchen im Large Hadron Collider, einem 27 km langen, unterirdischen Ringtunnel und dem zugleich leistungsstärksten Beschleuniger der Welt.

Studiert hat der Ingolstädter Physikalische Technik in München. Seine Diplomarbeit führte ihn an das französische Forschungsinstitut ESRF nach Grenoble. Dort hat er seinen Lebenspartner Olivier Traineau kennengelernt, der inzwischen im Genfer Messezentrum als Eventmanager tätig ist. Heute leben die beiden im französischen Umland von Genf und Thomas Schneider fährt mit dem Fahrrad in zehn Minuten von ihrem Zuhause in Thoiry zu seinem Arbeitsplatz direkt hinter der Grenze. Wenn er gerade nicht damit beschäftigt ist, dem Aufbau der Materie auf die Schliche zu kommen, reist er rund um den Globus. Für ihn ist es elementar, andere Länder und Kulturen verstehen zu lernen. Das ist auch ein Motiv, warum er seine Arbeit bei CERN so schätzt: weil es dort „multikulti zugeht“. An CERN-Experimenten arbeiten Wissenschaftler aus 85 Nationen! Für kurze Auszeiten haben sich Thomas Schneider und sein Partner ein Refugium in Chamonix, am Fuße des Mont Blancs, eingerichtet. Dort am Mer de Glace, am Eismeer, frönen sie ihrer gemeinsamen Passion, dem Hochalpinsport. „Liebe, Arbeit, Berge“ – alles stimmt, sagt Thomas Schneider. Kein Wunder, wenn man eine Ahnung davon hat, was „die Welt im Innersten zusammenhält“!

Wir fragten nach:

Was wollten Sie als Kind werden und welchen Beruf haben sich Ihre Eltern für Sie vorgestellt?

Als Jugendlicher wollte ich eher kreativ arbeiten, zum Beispiel als Fotograf oder Goldschmied. Für die Eltern galten ganz klar ein Studium und ein gutgestellter Job als Ziel. Wenn ich mir meine Arbeit heute so ansehe, finde ich beides wieder.

Was hat Sie dazu bewogen, aus Ingolstadt wegzugehen?

Gezwungenermaßen das Studium, im Anschluss aber der Drang auszubrechen und die Welt mit einer gewissen Anonymität zu erkunden. 

Kommen Sie noch ab und zu in Ihre Heimatstadt?

Zwei- bis dreimal im Jahr.

Was ist Ihre schönste Erinnerung an Ingolstadt?  … an was erinnern Sie sich weniger gern?

+ Sommer an einem der Baggerseen und Klettern in Konstein.

– Im Regen von Oberhaunstadt ins Apian-Gymnasium zu radeln. 

Falls Sie Gäste in Ingolstadt herumführen würden…Was    würden Sie ihnen auf jeden Fall zeigen?

Den Boule-Platz im Klenzepark und die für Ingolstadt außergewöhnliche Kneipenkultur ums Neue Schloss.

Was lassen Sie sich mitbringen, wenn Sie Besuch von Daheim bekommen?

Einen Kasten ´93er.

Ist Heimat für Sie ein Ort oder ein Gefühl?

Wohl beides, aber im Plural. Verschiedene Orte und Erlebtes mit wichtigen Menschen auf meinem Weg sind wesentlich. Somit bin ich wohl eher Europäer. Wobei die Schanz natürlich auch zu Europa gehört!

Gehen Sie zu Klassentreffen?

Sicherlich, sowas lasse ich mir nicht entgehen.

Wenn Sie eine Sache in Ingolstadt verändern dürften: Was wäre das?

Ein dickes Paket mehr Vielfalt wäre schön! Wobei ich schon sagen muss, dass sich in den letzten zwanzig Jahren einiges in Ingolstadt verändert hat. Vor allem wäre auch ein politischer Wandel angesagt, aber das Unvorstellbare hat sich ja de facto verwirklicht…

Welche war die beste Entscheidung in Ihrer beruflichen Laufbahn?

In der Forschung zu arbeiten, obwohl ich das während meines Studiums gar nicht auf dem Schirm hatte. Es war ein absoluter Glücksfall, dass ich meine Diplomarbeit im Ausland an einem europäischen Institut machen konnte.

Was war, in beruflicher Hinsicht, das Aufregendste, was Ihnen im letzten Jahr passiert ist?

Die Erkenntnis, dass ich heute als Mitglied des Senior Staffs mehr und mehr Wissen an junge Mitarbeiter vermitteln darf, an Lehrlinge, Studenten und Techniker. Das macht Spaß und schafft neue Dynamik. 

Wann vergessen Sie die Zeit?

In den Bergen und bei heiklen Arbeiten im Labor.

Wofür würden Sie mitten in der Nacht aufstehen?

Eigentlich schlafe ich lieber durch.

Könnten Sie sich vorstellen, irgendwann einmal wieder in Ingolstadt zu leben?

Sag niemals nie …. aber aus heutiger Sicht ist das eher ein No-Go.

In der Salzwüste Uyuni, Bolivien
In der Salzwüste Uyuni, Bolivien
Mit Partner Olivier Traineau
Auf dem Gletscher im Valle Blanche, Mont Blanc