Was war: Post an das Ingolstädter Herzpeterl

Unter den „Schätzen“ beim Tag der Archive im Stadtarchiv war ein Liebesbrief an Marieluise Fleißer.

Eine Handschrift auf Karopapier, sorgfältig unter Glas geschützt. Da scheint es sich um etwas Besonderes zu handeln, was hier am Tag der Archive im Ingolstädter Stadtarchiv zu sehen ist. Ein Brief ist es, der auch ordentlich datiert ist: Ingolstadt, 18. Oktober 1928.

“Lieber Puny!” – so beginnt der Brief an die Schriftstellerin.

Geschrieben hat ihn Josef „Beppi“ Haindl und die Adressatin war keine geringere als seine Verlobte Marieluise Fleißer: „Sie war zu jener Zeit in München und hin und wieder haben sich die beiden getroffen,“ erklärt Expertin Doris Wittmann, die das Marieluise-Fleißer-Archiv im Ingolstädter Stadtarchiv leitet und damit den Nachlass der Schriftstellerin betreut. Ihr „Beppi“ betrieb den Tabakladen in der Altstadt (heute Theresienstraße 1). Und so schrieb er in seinem Brief auch von ganz alltäglichen Dingen wie dem Einkauf von Tabak, den Besuchen der Kunden usw. Ungewöhnlich ist die Anrede „Lieber Puny!“ Der Spitzname stellt die Fleißerforscher bis heute vor ein Rätsel, denn es ist völlig unklar, woher er kommt. Die anderen gern verwendeten Spitznamen wie „Herzpeterl“, “Luisl“, „Herzl“ oder „liebe Brauni“ (wegen ihrer braunen Augen) sind da schon einleuchtender. Der Brief von Josef Haindl stammt aus dem Nachlass von Marieluise Fleißer, der 1978 vom Stadtarchiv angekauft worden war.

Doris Wittmann mit der Suhrkamp Ausgabe der Briefe von Marieluise Fleißer

Handschriftliche Liebesbriefe der Schriftstellerin gibt es übrigens nicht: „Sie hat hauptsächlich mit der Schreibmaschine geschrieben,“ erklärt Doris Wittmann, „auch ihre Briefe.“ Für die Forschung macht es das insofern leichter, weil ihre Handschrift selbst für einen Experten eine echte Herausforderung darstelle. Tagebuchaufzeichnungen, Reiseberichte, Kochrezepte und anderes gibt es als handschriftlich verfasste Schriftstücke im Archiv – und bald werden auch einige davon im Fleißerhaus in der Kupferstraße zu sehen sein. Am 5. Mai ist die Neueröffnung nach dem Umbau geplant.

Und wer weiß, was bis dahin noch auftaucht? „Erst heute kam ein Besucher vorbei, der in dem Tabakladen von Beppi Haindl noch Tabak für seinen Vater holte. Bestimmte Marken gab es nur dort,“ so Doris Wittmann. Solche Zeitzeugen sind für die Fleißer-Forschung immer interessant, wie man überhaupt im Stadtarchiv auch auf Fundstücke oder Erinnerungen der Bevölkerung setzt: Sterbebilder, alte Fotos und Postkarten sind immer gefragt.

Michael Pfaffel war der “Herr des Morsegeräts” beim Tag der Archive.

Unter dem Motto „Kommunikation. Von der Depesche bis zum Tweet“ fand der Tag der Archive im Ingolstädter Stadtarchiv statt. Dabei ging es um Postkarten, die Ingolstädter Postgeschichte, aber auch die Entwicklung der Geschäftsschrift in der Verwaltung von der Urkundenschrift des 9. Jahrhunderts bis zur E-Mail im 20. Jahrhundert. Für die jüngsten Besucher bot das Stadtarchiv eine Schreibwerkstatt an. Hier konnten Utensilien aus alten Zeiten wie zum Beispiel Schreibfedern, Tinte, Griffel und Schiefertafeln ausprobiert werden. Ganz analog!

V.l.: Praktikantin Andrea Zenn, Uta Lottes von der Museumspädagogik und Bufdi Anna-Maria Kurzeder. Fotos: Arzenheimer

Hätten Sie´s gewußt?
Natürlich gab es unter den mittelalterlichen Schreibern auch Rechts- und Linkshänder. Und deshalb gab es auch die passenden Schreibfedern. „Die Federn der rechten Schwinge der Gans wurden für Rechtshänder benutzt, die der linken für Linkshänder,“ erklärte Museumspädagogin Ute Lottes den Besuchern im Stadtarchiv.