Audi und die 50-Prozent-Frage

Stolpert Audi-Vorständin Hildegard Wortmann über eine ehrliche Aussage?

Altgediente Audianer sind sauer auf Audi-Vertriebs- und Marketing-Vorständin Hildegard Wortmann. Diese werde/dürfe die nächste Aufsichtsratssitzung nicht überstehen, meinen sie erzürnt. Die Karrierefrau hat sich den Unmut der Werksangehörigen mit folgender Äußerung zugezogen: “Es gibt eine 50:50-Chance, dass es uns als Konzern, als Audi, in zehn Jahren noch gibt.” Allerdings hat Wortmann das bereits vor zwei Jahren im Rahmen einer Tagung von Audi-Händlern gesagt. Also eigentlich Schnee von gestern. Aber: Sie hat jetzt in einem Podcast der Zeitschrift Wirtschaftswoche nachgelegt: “Wir müssen uns noch schneller ändern, sonst sind wir einfach weg vom Fenster. Das würde ich heute genauso wieder sagen.” Den Podcast können Sie unter www.wiwo.de/Podcast in einer Reihe von “Chefgesprächen” nachhören.

 

 Was Wortmann damit sagen will: Die Automobilindustrie steht vor tiefgreifenden Veränderungen. Wer da den Anschluss verpasst, der geht unter. Gefeit ist davor niemand – auch Audi nicht. Dass der Strukturwandel erfolgen wird und bereits im Gange ist, bestreitet niemand mehr ernsthaft. Diskutieren kann man nur über den Umfang der Auswirkungen. Damit hat sich auch das namhafte Ifo-Institut befasst (www.ifo.de) – in einer Studie zum Strukturwandel der Autoindustrie in Deutschland. Darin wird unter anderem ausgeführt, dass im Jahre 2019 fast 450.000 Beschäftigte direkt von Produktgruppen abhängig waren, die im unmittelbaren Zusammenhang mit konventionellen Antrieben, also Verbrennungsmotoren, stehen. Damit wird klar, welche Auswirkungen das geplante Verbot von Verbrennern hat. Diejenigen, für die das Auto ein ideologisches Feindbild ist, die mögen bedenken, dass in Deutschland laut ifo-Institut in der Automobilbranche 800.000 Arbeitnehmer direkt und weitere 1.300.000 Beschäftigte indirekt im KFZ- Gewerbe und in Zulieferunternehmen anderer Branchen tätig sind. 

 

Neben dem genannten Strukturwandel entstehen für Deutschland auch Probleme daraus, dass wir  von einer Export- zu einer Importnation werden könnten. Die PricewaterhouseCoopers GmbH Wirtschaftsprüfungs-  und Beratungsgesellschaft (kurz: PwC) hat kürzlich publiziert (laut Tagesschau vom 4. November 2022), dass Europa ab 2025 mehr Autos importieren als exportieren wird. Chinesische Hersteller spielen – vor allem bei Elektroautos – eine immer größere Rolle. Im Vergangenen Jahr kamen lediglich 35.000 vollelektrische Autos von China nach Europa. In diesem Jahr werden es ca. 66.000 Fahrzeuge sein. In drei Jahre können es laut PwC 800.000 sein. Bei den E-Autos, denen die Zukunft gehört, hat es kein europäisches Modell in die Top 5 der meistverkauften E-Autos weltweit geschafft. Das sollte alarmieren!

 

Hildegard Wortmann, die als knallharte Managerin gilt, malt also nicht den Teufel an die Wand, sondern schildert nur die Dramatik der Autoindustrie und damit auch die Situation von Audi. Sie ist offensichtlich ehrlich. Das könnte ihr schlecht bekommen, denn das  Leugnen und Lügen scheint in der Auto-Branche die bevorzugte Kommunikationsform zu sein, wie der Dieselskandal bewiesen hat.