Eine scheinheilige Debatte und ein gewaltiger Vertrauensbruch (update)

Am 14. April 2016 bekam Christian Lange (BGI) im Stadtrat so richtig verbale Prügel. Zu Unrecht, wie sich herausstellte. Der Anlass: Er wollte, dass Ingolstadt der Organisation Transparency International beitritt; das Ziel: Verhinderung von Korruption und mehr Transparenz beim Handeln der Verwaltung. Dazu eine Presseerklärung der CSU vom 26.01.2020 (17.08 Uhr) am Ende.

Eine scheinheilige Debatte

Die Rathauskoalition (CSU/FW) und insbesondere Alfred Lehmann sowie Oberbürgermeister Christian Lösel empörten sich über den Antrag von Christian Lange, die Stadt möge Transparency International, einem Verein, der Transparenz des Verwaltungshandelns anstrebt und Korruption verhindern möchte, beitreten. Im DONAUKURIER war über die hitzige Auseinandersetzung am nächsten Tag zu lesen: Besonders heftig reagierte Alt-OB Alfred Lehmann. “Die Begründung treibt mir den Zorn ins Gesicht”, schimpfte er, „das ist eine Art Rufmord!“ und über Oberbürgermeister Christian Lösel schrieb die Tageszeitung: „Sichtlich genervt und aufgebracht wirkte auch der OB, der diesen Vorstoß in einer Reihe mit ständigen Vorwürfen und Klagen des BGI-Manns gegen die Verwaltung sieht. „Sie erschüttern das Vertrauen in die Belegschaft”, hielt Christian Lösel dem Antragsteller vor. Die von Lange im Stadtrat angefachte Debatte sei zum “Schaden für unsere Heimatstadt”.

Zu diesem Zeitpunkt wussten Lehmann und Lösel, dass der Staatsanwaltschaft seit Januar 2016 eine Strafanzeige vom Ombudsmann des Klinikums Ingolstadt (Franz Xaver Goldbrunner, ehemaliger Arbeitsrichter und dann Rechtsanwalt) gegen den (später inhaftierten) Geschäftsführer Heribert Fastenmeier vorlag. Der Verdacht: Korruptionsstraftaten. Lösel hatte bereits im Februar 2016 Lehmann und Albert Wittmann (als einzige Stadträte) von der Anzeige in Kenntnis gesetzt. Der Oberbürgermeister und sein Amtsvorgänger wussten also im Zeitpunkt der Debatte genau, dass wegen des Verdachts von Korruptionsstraftaten (zunächst: unkorrekte Auftragsvergabe) bei einer städtischen Tochtergesellschaft eine Anzeige bei der Staatsanwaltschaft vorlag, Korruption also sehr wohl im Raum stand.

Und: Im Oktober 2019 wurde Alfred Lehmann wegen Korruptionsstraftaten (Bestechlichkeit und Vorteilsannahme) rechtskräftig zu einer Freiheitsstrafe von zwei Jahren auf Bewährung verurteilt. Diese Taten hat er nach dem Urteil des Landgerichts Ingolstadt vor dem Zeitpunkt, in dem die Debatte im Stadtrat stattfand, begangen. Er empörte sich also als Täter eines Korruptionsdeliktes über das Ansinnen, Korruption zu verhüten!

Dieses „Duett der Empörung“ über Lange, vorgetragen von Alfred Lehmann und Christian Lösel, bedarf weiterer Aufklärung. Das Einprügeln auf Lange, der mit dem Beitrittsantrag zu Transparency International Korruption in Ingolstadt verhindern wollte, war angesichts des Kenntnisstandes, insbesondere von Alfred Lehmann, scheinheilig, um nicht zu sagen dreist.

Ein gewaltiger Vertrauensbruch

Oberbürgermeister Christian Lösel muss sich zu Lehmanns Verhalten erklären, will er nicht in den Verdacht geraten, von Lehmanns strafrechtlichen „Unternehmungen“ gewusst zu haben. Derzeit gibt es keine Anhaltspunkte, dass Lösel da etwas wusste, aber eine Erklärung seinerseits und auch von Lehmann sind nötig.

Politischer Vater und sein Ziehsohn“ titelte der DONAUKURIER im April 2019, als Lösel im Prozess gegen Lehmann aussagen musste. Er habe, so Lösel als Zeuge, Lehmann 2001 kennengelernt, dieser habe ihn dann gebeten, Pressesprecher des CSU-Kreisverbandes zu werden. 2008 habe ihn, so Lösel weiter, Lehmann gefragt, ob er für den Stdtrat kandidieren wolle. Im Jahre 2010 habe ihn der damalige Oberbürgermeister zum Referenten für die zentrale Verwaltung gemacht (Wahl durch den Stadtrat), ein Job, der damals auch „persönlicher Referent des Oberbürgermeisters“ genannt wurde. Nachdem Lehmann 2014 bei der Kommunalwahl nicht mehr antrat, schickte die CSU Lösel ins Rennen, der im März 2014 im ersten Wahlgang mit 52,3 Prozent der Stimmen zum Oberbürgermeister gewählt wurde. Lehmann gehörte ab 2014 noch dem Stadtrat an, war Mitglied des Aufsichtsrats beim Klinikum und saß im Verwaltungsrat der IFG.

Am 10. März 2015 erwarb Lehmann notariell seine Wohnung in der Sebastianstraße. Dieser Kaufvertrag (und eine frühere Reservierungsvereinbarung) war ein Scheinvertrag. Im Vertrag war davon die Rede, dass Lehmann nur eine „Rohbauwohnung“ (mit entsprechend niedrigerem Kaufpreis) erwerben würde, während er vom Verkäufer (Bauträger aus dem Landkreis Pfaffenhofen, für den er sich bei der Vergabe des Baufeldes/Baugrundstücks eingesetzt hatte) tatsächlich eine fertige Wohnung erhalten sollte. Dessen war sich Lehmann bewusst – ein Jahr vor seiner Empörung im Stadtrat, als er Lange attackierte und von „Rufmord“ sprach. Der Kauf war einer der Anklagepunkte, der zu seiner Verurteilung führte.

Im Juni/Juli 2015 wurde die Firma Arbor GmbH & Co KG gegründet. Beteiligt: die Ehepaare Lehmann und Lösel, der Neuburger Bauunternehmer Mayr und die Sparkasse Neuburg (so DONAUKURIER vom 23. Januar 2017). Mayr – dies kam in der Verhandlung gegen Lehmann zur Sprache – zahlte an den Alt-Oberbürgermeister etwa 50.000 Euro – wegen dessen Beratertätigkeit. Der Neuburger war – für andere überraschend – auch Mitglied einer Delegation aus Ingolstadt, die die Partnerstadt Foshan besuchte. Und er war (in der Vergangenheit) auch an Immobilien in Ingolstadt beteiligt oder Eigentümer, in denen die Stadt Mieter war/ist (Tourismusbüro, Rechnungsprüfungsamt etc.).

Im Juli 2015 billigte der Stadtrat Honorare für einen Immobilienmakler und eine im Immobilienbereich tätige GmbH, die für Grundstückseigentümer der Stadt Grundstücke im Gebiet des Bebauungsplanes „Am Samhof“ angeboten hatten. Die Provisionen (im hohen fünfstelligen und unteren sechstelligen Bereich) beliefen sich auf etwa drei Prozent des jeweiligen Kaufpreises (zuzüglich Mehrwertsteuer). Im Jahre 2010 hatte der Stadtrat beschlossen, in derartigen Fällen möglichst nur ein Prozent als Provision zu bezahlen. An diese Regelung erinnerte im Jahre 2019 Albert Wittmann und mahnte deren Durchsetzung an. Die beiden Firmen zahlten an Alfred Lehmann jeweils Beträge von mehr als 30.000 Euro. Welche Tätigkeit Alfred Lehmann in diesem Zusammenhang überhaupt entfaltet haben könnte, ist bisher ungeklärt.

Der eine Makler, der auch an Lehmann Geld zahlte, soll seit 2014 etwa eine halbe Million Euro an Honorar von der Stadt, deren Mitarbeiter er früher war, erhalten haben. Mehr als andere Makler. Dieser Makler, der Lehmann Geld überwies, machte auch Geschäfte (zumindest eines ist nachgewiesen) mit der IFG, bei der Lehmann als OB Verwaltungsratsvorsitzender und dann stellvertretender Verwaltungsratsvorsitzender war – möglicherweise also Amtsträger.

Oberbürgermeister Christian Lösel ist durch Alfred Lehmanns Verhalten mit ins Zwielicht geraten. Er gilt eben als politischer Ziehsohn des Amtsvorgängers. Es ist möglich, dass er von den Geschäften Alfred Lehmanns nichts gewusst hat. Ausnahme: Die zeitnahe gemeinsame Beteiligung an einer Firma, die im Immobiliengeschäft engagiert ist. Lässt das Rückschlüsse zu?

Nicht zwingend. Im Augenblick stellt es sich vielmehr so dar, dass Lehmann gegenüber Lösel einen unglaublichen Vertrauensbruch begangen hat, indem er sich auf eine Art und Weise geschäftlich betätigte, die man als „politisch tödlich“ bezeichnen darf. Das geschah offensichtlich hinter dem Rücken seines Nachfolgers und schadet diesem enorm. Um so mehr, als Lösel zwar gegnüber dem DONAUKURIER erklärte, er habe von den Zahlungen des Maklers und der anderen Immobilienfirma keine Kenntnis gehabt, aber dieses Verhalten Lehmanns nicht geißelt.

Lösel müsste sich jetzt lautstärker über Lehmann beklagen, als er sich im April 2016 über Lange aufregte. Lehmann hat mit seinen Grundstücksgeschäften, seinen Provisionsempfängen und seiner strafrechtlichen Verurteilung „Schaden für die Heimatstadt“ angerichtet – nicht Lange mit der Forderung, bei Tranparency International beizutreten.

Gemeinsame Erklärung von CSU-Kreisverband, Stadtratsfraktion und Oberbürgermeister 

Alfred Lehmann hat sich als Oberbürgermeister und langjähriger Vorsitzender der Lebenshilfe erhebliche Verdienste für die Stadt Ingolstadt, deren Entwicklung und die Menschen in dieser Stadt erworben. 

Umso mehr sind wir persönlich betroffen und enttäuscht über die bekanntgewordenen Sachverhalte zum persönlichen Geschäftsgebaren von Alfred Lehmann. Dieses entspricht nicht unseren Vorstellungen von korrektem und moralisch richtigem Handeln. 

Nachdem nun immer wieder in unzulässiger Weise versucht wird, eine Verbindung zwischen den privaten Geschäftsbeziehungen von Alfred Lehmann und dem amtierenden Oberbürgermeister herzustellen, betont Christian Lösel ausdrücklich: „Mir war völlig unbekannt, dass es Verträge zwischen Herrn Dr. Lehmann und Maklern oder Immobilienfirmen im Zusammenhang mit städtischen Grundstücksgeschäften gab. Ich habe davon erst im Rahmen der Ermittlungen erfahren.“ 

Wir alle sind auch deshalb menschlich so enttäuscht, da wir erwartet hätten, dass Alfred Lehmann spätestens zu Beginn der Aufarbeitung uns persönlich und umfassend über alle Sachverhalte informiert und die Karten offen auf den Tisch legt. Dies ist -trotz gezielter Nachfrage- nicht geschehen und dies betrachten wir als Vertrauensbruch. 

Ingolstadt, 26. Januar 2020 

Christian Lösel                       Alfred Grob                     Patricia Klein

Oberbürgermeister      Vorsitzender Kreisverband    Vorsitzende Stadtratsfraktion