Kommt es im März 2020 bei der Kommunalwahl zu einem Wechsel an der Spitze der Stadt? Die Forsa-Umfrage des DONAUKURIER lässt Tendenzen erkennen.
Vor sechs Jahren wurde Christian Lösel mit 52,3 Prozent der Stimmen im ersten Wahlgang zum Oberbürgermeister gewählt. Nominiert wurde er von den Delegierten der CSU einstimmig, also mit 100 Prozent. Im Februar 2014 erreichte Lösel in der damaligen Forsa-Umfrage 42 Prozent der Stimmen. 20 Prozent der Wahlberechtigeten hatten da noch keine Meinung oder erklärt, dass sie keinen der genannten Kandidaten wählen würden. Dies sind sehr oft die Antworten der Nichtwähler. Daher rechnet Forsa ausgehend von 80 Prozent auf 100 Prozent hoch. Addiert man zu den damaligen 42 Prozent weitere 20 Prozent, so kommt man knapp über 50 Prozent. Das entsprach dann dem tatsächlichen Ergebnis von Christian Lösel.
Bei der Nominierung für die nunmehrige Kommunalwahl erhielt der Kandidat der CSU von seinen Delegierten keine 100 Prozent. Vielmehr verweigerten ihm etwa 5 Prozent die Zustimmung. Das ist prinzipiell kein Beinbruch, zeigt aber, dass es auch Verschleißerscheinungen geben kann und nicht nur den oft zitierten Amtsbonus. Die nunmehr veröffentlichte Forsa-Umfrage sieht Lösel derzeit bei 33 Prozent und wiederum wissen knapp 20 Prozent der Wahlberechtigten nicht, was sie wählen werden oder ob sie überhaupt wählen. Rechnet man jetzt wieder auf 100 Prozent hoch, so liegt Christian Lösel bei etwa 40 Prozent, ist also doch recht weit von einer absoluten Mehrheit entfernt. Das deutet auf eine Stichwahl hin. Allerdings legen in der Schlussphase des Wahlkampfes die an der Spitze liegenden Kandidaten oft zu, da der Wähler zu den Gewinnern zählen will. So könnte sich der amtierende Oberbürgermeister noch über 50 Prozent “retten”.
Bei einer Stichwahl, also wenn kein Kandidat im ersten Wahlgang mehr als 50 Prozent der Stimmen erhält, gelten nämlich “andere Gesetze“ und da ist alles möglich. Das ist die durchaus gegebene Chance des Zweitplatzierten, voraussichtlich also von Christian Scharpf. Er dürfte bei einer Stichwahl die meisten Stimmen der sogenannten Oppositionsparteien (SPD, Grüne, BGI, ÖDP) sowie der Linken erhalten. Das würde aber wohl nicht reichen. Entscheidend dürfte sein, wie sich Freie Wähler, Unabhängige Demokraten Ingolstadts und die FDP sowie die Linke verhalten, ob sie Wahlempfehlungen aussprechen (und ob sich die Wähler daran orientieren).
Die Wähler der AfD werden im Zweifel wohl für Lösel stimmen – das bereits im ersten Wahlgang, da die AfD auf einen eigenen OB-Kandidaten verzichtet. Derzeit liegt die AfD bei sieben Prozent; hochgerechnet bei 8,4. Die AfD-Wähler könnten Lösel bereits im ersten Wahlgang zum Sieg verhelfen. Aber: In Lösels 33 Prozent sind an sich die AfD-Wähler schon jetzt enthalten, da auch die AfD-Sympathisanten zur OB-Wahl befragt wurden.
Wir haben die OB-Kandidaten um eine schriftliche Stellungnahme zum Ergebnis der Umfrage gebeten. OB Christian Lösel, der am Samstag viel unterwegs war, wollte lieber mündlich eine Erklärung abgeben. Daraufhin haben wir versucht, anderen diese Möglichkeit auch einzuräumen, haben aber viele nicht erreicht oder keine Antwort erhalten. Daher liegen nur noch mündliche Stellungnahmen von Christian Lange und Petra Kleine vor. Die anderen haben schriftlich geantwortet.
Christian Lösel (CSU): “Hatten mehr erwartet…”
Christian Scharpf (SPD): Wechselstimmung
Trotz der Abspaltung der UDI haben die FW stark abgeschnitten. Das erkläre ich mir damit, dass enttäuschte CSU-Wähler zur FW übergewechselt sind und die UDI noch nicht so ins Bewusstsein der Wählerinnen und Wähler gerückt ist. Dass die CSU Federn lassen muss, war klar. Das Ausmaß dieses Absturzes hat mich allerdings schon erstaunt. Da hätte ich mehr Stimmen erwartet. Mich freut es, dass die SPD in Ingolstadt doppelt so stark abschneidet wie die Umfragen im Freistaat und dass ich selbst auf Platz 2 gelandet bin. Freilich sind meine 15% noch deutlich ausbaufähig. Man muss aber berücksichtigen, dass neun OB-Kandidaten am Start und 19% der Wähler noch unentschlossenen sind.
Insgesamt zeigt das Umfrageergebnis eine ausgeprägte Wechselstimmung in der Stadt. Die Wählerinnen und Wähler wollen, dass sich in unserer Stadt etwas verändert. Es reicht nicht, dass die Wirtschaftszahlen und die Rankings stimmen: Die Art, wie hier Politik gemacht wird, schreckt viele Menschen ab. Für die zu erwartende Stichwahl am 29.3. werbe ich um ein breites Bündnis für einen politischen Neuanfang in der Stadt. Nach der Wahl werden wir einen politisch sehr bunten Stadtrat haben, in dem wir ohne Koalitionen an Sachthemen orientiert alle miteinander zusammen arbeiten sollten.
Hans Stachel (FW): Forsa-Umfrtage macht Mut
Presserklärung der Freien Wähler vom Sonntagnachmittag
Die mit Spannung erwartete Forsa-Umfrage des DK hat für die FREIEN WÄHLER ein durchaus befriedigendes Ergebnis gebracht. Sieben Prozent für den OB-Kandidaten Hans Stachel und neun Prozent für die FREIEN WÄHLER können sich sehen lassen, bedeuten diese Zahlen doch, dass sich die FREIEN WÄHLER gut behaupten können.
OB-Kandidat Hans Stachel: „Wir wollen die Zahlen nicht überbewerten, aber sie machen uns Mut. Wir liegen damit im Ingolstädter Parteienspektrum auf Platz vier – trotz des für uns äußerst schwierigen politischen Umfelds.“ Angesichts dessen ist der in der Umfrage prognostizierte Rückgang um 1,8 Prozent gegenüber dem Ergebnis von 2014 (10,8 Prozent) zu verschmerzen. Bedauerlicherweise ist durch die Berichterstattung im DONAUKURIER der Eindruck entstanden, die FREIEN WÄHLER würden 6,1 Prozent verlieren.
Dass sich die FREIEN WÄHLER so gut behaupten können, ist auch deshalb bemerkenswert, weil in Kooperationen sehr oft der kleinere Partner, in Ingolstadt also die FW, Federn lassen muss. Offensichtlich wird unsere kritische, aber sachorientierte Art Politik zu machen, von den Wählerinnen und Wählern wahrgenommen und geschätzt.
Sollten sich die Ergebnisse der Umfrage bewahrheiten, wäre aber die CSU der große Verlierer. Wie die Kommunalwahl im Detail ausgehen wird, ist für Hans Stachel noch längst nicht ausgemacht: „Da kann sich schon noch einiges bewegen, vor allem, wenn man bedenkt, dass 19 Prozent der Wähler noch unentschlossen sind.“
Für die FREIEN WÄHLER geht es laut Stachel im Wahlkampf nun darum, für eine stabile Mitte zu kämpfen, damit Extremisten, von welcher Seite auch immer, keine Chance bekommen. Stachel: „Wir brauchen nicht die große Show oder markige Worte, wir setzen auch weiterhin auf Sachpolitik, Respekt und auf politische Fairness.“
Sachorientiert, ideologiefrei – für eine sichere, stabile Mitte.
Jakob Schäuble (FDP): Nicht erhoffte Situation
Ich will nicht darum herumreden, wir befinden uns jetzt am Beginn des Wahlkampfs offenbar nicht in der erhofften Situation. Allerdings ist die Ausgangslage auch nicht
aussichtslos. Wir haben starke Themen wie die Weiterentwicklung des Klinikums zum Universitätsklinikum, Wiederinbetriebnahme des Schwimmbads auf der Schanz um die Schulschwimmkapazitäten zu erhöhen oder verkaufsoffene Sonntage zu Stärkung des
Einzelhandels. Ich bin mir sehr sicher, dass sich in der beginnenden aktiven Wahlkampfzeit noch Vieles in der politischen Meinungsbildung verändern wird. Erst dann werden sich Partei-Profile schärfen und auch die Durchdringung erreichen lassen, die letztendlich zur
Wahlentscheidung führt.
Die wichtigste Erkenntnis und positive Nachricht war für mich der deutliche Rückgang der Prozentzahlen für Oberbürgermeister Dr. Lösel und für die CSU. Die von Forsa befragten Personen haben deutlich zum Ausdruck gebracht, dass in Ingolstadt ein Wechsel bei der Stadtspitze und auch bei der Stadtratsmehrheit erforderlich ist. Die UDI wird sich dafür einsetzen, dass dies durch das Ergebnis der Wahl am 15. März noch deutlicher zum Ausdruck kommt.
Die befragten Bürgerinnen und Bürger haben erkannt, dass nicht nur positive Wirtschaftszahlen und Spitzenstellungen bei Städte Rankings wichtig sind, sondern gleichzeitig auch die „Hausaufgaben“ vor Ort erledigt werden müssen. Dazu zähle ich z.B. die teilweisen nicht hinnehmbaren baulichen und hygienischen Zustände in unseren Schulen, den maroden Zustand unserer Bezirkssportanlagen und die mangelnde Perspektive für einen bürgerfreundlichen Ausbau des öffentlichen Nahverkehrs. Die CSU möchte für die „Bezirkshauptstadt Ingolstadt“ ein Bürogebäude für 500 Mitarbeiter errichten, ist aber seit über 10 Jahren nicht imstande, auch nur einen Standort für ein dringend benötigtes zusätzliches Rathauses für die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Stadtverwaltung festzulegen.
Die UDI steht für eine vertrauensvolle Politik zum Wohle aller Bürgerinnen und Bürger unserer Stadt. Ich bin überzeugt, dass die Bürgerinnen und Bürger unserer Stadt die derzeitigen Missstände durch ihr Votum bei der nächsten Kommunalwahl deutlich zum Ausdruck bringen werden.
mir vernommene Wechselstimmung wurde bestätigt. Für die ÖDP und mich
bedeutet das Ergebnis, im nun beginnenden Wahlkampf uns besonders
anzustrengen. Wir wollen noch mehr Bürgerinnen und Bürger von unserem
Wahlprogramm überzeugen. Danach werde ich mich auf eine spannende
Stichwahl einrichten.
Die Umfrage zeigt deutlich, dass die jetzige Stadtspitze den Bogen überspannt hat und sich das nun auch im Ergebnis widerspiegelt. Für mich persönlich ein positives Zeichen dafür, dass ein politischer Wandel in Ingolstadt möglich ist. Zudem kann man davon ausgehen, dass das Ergebnis für das Grün-Linke Lager noch besser ausfällt als die Umfrage zeigt, da unsere Wähler tendenziell jünger sind und nicht mehr über einen Festnetzanschluss verfügen, d.h. in der Umfrage keine Beachtung finden.