Der Fotograf Reinhold Weinretter hat noch nie mit dem Handy fotografiert und bearbeitet Bilder am Rechner kaum nach.
„Auf Eis ausgerutscht? Auf den Arm nehmen kann ich mich selber!“ Der Arzt in der Notaufnahme des Klinikums Ingolstadt ist misstrauisch, als ihm Reinhold Weinretter erzählt, wie er sich verletzt hat. Es ist der 4. September 2019 und ein sonniger Tag mit 28 °C, als der Fotograf gegen 17:00 Uhr mit dem Notarzt ins Klinikum gebracht wird. Was der Arzt nicht glauben möchte: Weinretter ist tatsächlich auf Eis ausgerutscht und zwar in der Saturn Arena. Dort hat er im Auftrag des ERC für einen Videotrailer Aufnahmen gemacht. Am Schluss wollte er noch einmal den Panther, das Wappentier der Ingolstädter Eishockey Cracks, in der Eisfläche filmen. Damit der richtig glänzt, vor die Eismaschine darüber und erzeugte frisches, leider auch sehr glattes Eis. Der Fotograf rutschte aus. Und was macht ein Profi in einer solchen Situation: Er hält seine teure Kamera, in diesem Fall eine Nikon Z6, mit dem linken Arm hoch, damit die nicht auf dem Eis aufschlägt. Die Wucht des Aufpralls – Reinhold Weinretter gehört nicht zu den Leichtgewichten unter den Fotografen – hatte seine rechte Schulter aufzufangen. Der wurde dabei übel mitgespielt: Weinretter renkte sich den rechten Arm aus, die Schale des Schultergelenks erlitt einen Sprung und die Sehnen rissen an. Die Verletzung war nicht nur körperlich sondern auch psychisch schmerzhaft: Motorradfreund Weinretter, ein sportlicher Tourenfahrer, der es schon auf 8000 km pro Jahr bringt, musste die Saison vorzeitig beenden. „So um die 1500 km wäre ich im Herbst schon noch gefahren“, bedauert er.
Kein Foto mit dem Handy
Wichtiger als sein Motorrad ist für den Fotografen natürlich seine Kamera. Sie hat den Sturz unbeschadet überstanden. Und das ist wichtig für Reinhold Weinretter. Er fotografiert nämlich auch im Handy-Zeitalter nur mit einem Fotoapparat. „Ich habe ein Senioren-Handy, das ich ohne Brille bedienen kann. Ob das überhaupt eine Kamera hat, weiß ich gar nicht.“ Mit dem Handy würden die Leute einfach drauf losknipsen und hinterher schauen, was es geworden ist. „Bei mir entsteht das Foto vorher im Kopf, bevor ich auf den Auslöser drücke“, erklärt er den Unterschied. Und weiter: „Wenn jemand mit dem Handy fotografiert ist das, wie wenn man das Radio einschaltet. Es kommt Musik raus. Wer mit der Kamera fotografiert, der spielt wie ein Musiker ein Instrument.“
Kaum Bildbearbeitung
Weinretters Foto bedürfen, da er sich schon beim Fotografieren voll auf das Bild konzentriert, kaum der Nachbearbeitung. Er ist ja auch im wahrsten Sinne des Wortes ein Meister seines Fachs. Im Jahre 1994 hat er die Meisterprüfung als Fotograf abgelegt. Da mussten die angehenden Fotografen noch lernen, wie man mit der Schärfe spielt, welche Rolle die Farbtemperatur spielt und vieles mehr. Heutzutage ist der Beruf des Fotografen „meisterfrei“. Jeder, der mit einer Kamera herumläuft, darf sich Fotograf nennen, den Meistertitel gibt es nicht mehr. Natürlich beherrscht auch Reinhold Weinretter die gängigen Bildbearbeitungsprogramme. „Sie spielen bei mir aber keine große Rolle. Was der Kunde als Bild bekommt, stammt zu 90 % aus der Kamera. Die Nachbearbeitung beschränkt sich auf kleinere Korrekturen.“
Die echten Stars sind unkompliziert
Wie die meisten Fotografen, lässt sich Weinretter auch für Hochzeiten und andere Feierlichkeiten buchen. „Allerdings fallen etwa 80 % meiner Tätigkeit auf gewerbliche Produktionen“, erläutert er seinen Geschäftsbereich. Aufnahmen von industriellen Produkten spielen dabei eine große Rolle. Weinretter hat dafür ein eigenes Studio in der Goethestraße in Ingolstadt, das er schon im Jahre 1996 eröffnet hat. Dazu kommt noch ein kleineres Studio für Porträts in Kösching. Neben namhaften Firmen gehört auch die Stadt Ingolstadt zu seinen Auftraggebern. Außerdem ist Weinretter seit 20 Jahren als freier Fotograf für die Kulturredaktion des Donaukurier unterwegs. Für die Tageszeitung und andere Medien fotografiert er bei ca. 80 Konzerten jährlich. Dabei kommt er den großen Stars oft sehr nahe. „Die meisten Künstler, insbesondere die wirklichen Größen ihres Fachs, sind in der Regel unkompliziert.“ Gern erinnert sich der Fotograf an Udo Lindenberg, den er bei einer der legendären Weihnachtsfeiern von Media Saturn vor der Linse hatte. “Kannst du mal deine Brille abnehmen”, bat der Fotograf den Künstler. Lindenberg zog seine Sonnenbrille so halb herunter, schaute Weinretter tief in die Augen und erwiderte: “Jetzt kannst du mir in meine Seele kucken.”
Eine interessante Begegnung hatte Weinretter auch mit Martin Semmelrogge, der unter anderem durch seine Mitwirkung in dem Film „Das Boot“ berühmt wurde. Der Schauspieler beauftragte den Ingolstädter, von sich Fotos für seine Autogramme und Agentur zu machen.
Gute Fotos, da ist sich Weinretter sicher, haben auch in Zukunft ihren Preis und ihre Abnehmer. Die Bilderflut bei Instagram, Facebook oder Twitter werde daran nichts ändern.