Gestandenes Mannsbild mit Bodenhaftung

Franz Wöhrl wird der neue Fraktionsvorsitzende der CSU im Ingolstädter Stadtrat–Kommentar von Hermann Käbisch.

Im März 2020 stand die Ingolstädter CSU nach dem Debakel bei der Kommunalwahl vor einem Scherbenhaufen. Die Schockstarre der Partei zu überwinden sowie Christian Lösel und Albert Wittmann, als abgewählte (Ober- bzw. Zweiter) Bürgermeister eine reduzierte Rolle in der neuen Stadtratsfraktion zuzuweisen – dafür standen in der CSU nur wenige zur Verfügung. Das Schicksal traf den erst 2018 in den Landtag gewählten Alfred Grob. Er musste neben seiner Tätigkeit als Landtagsabgeordneter den Vorsitz des Kreisverbandes der Ingolstädter CSU und den Fraktionsvorsitz im Stadtrat übernehmen. Gedrängt hat er sich danach nicht, vielmehr immer erklärt, dass er nur für einen begrenzten Zeitraum diese Tätigkeiten ausüben werde. Nun ist Grob, nachdem er bereits den Parteivorsitz abgegeben hatte, auch die Bürde des Fraktionsvorsitzes los. 

Franz Wöhrl wird der neue Chef der Fraktion. Die Stadtratsmitglieder der CSU haben damit ein “gestandenes Mannsbild mit Bodenhaftung” gekürt. So die Charakterisierung Wöhrls durch einen Stadtrat einer anderen Fraktion. Diese Aussage zeigt, dass Wöhrl parteiübergreifend Hochachtung genießt. Doch nicht nur im Stadtrat ist er ein politisches Schwergewicht: Auch die Bürger schätzen ihn. Bei der letzten Kommunalwahl wurde er von Platz 33 auf der CSU-Liste (Will man überhaupt noch in das “Kommunalparlament”, wenn man sich als amtierender Stadtrat so weit hinten aufstellen lässt?) um 29 Plätze auf Rang 4 vorgewählt. Einen solchen Sprung nach vorn schaffte kein anderer CSU-Kandidat. Wöhrls Ansehen bei Politikern jeglicher Couleur und bei der Bevölkerung könnte folgende Gründe haben: Er argumentiert stets sachlich und wenn er den Mund aufmacht, hat er auch inhaltlich was zu sagen und liefert – im Gegensatz zu manchem anderen Stadtrat – keine austauschbaren Sprechblasen ab. Und der neue Fraktionsvorsitzende wirkt auch authentisch; er tritt auf als das, was er ist: der (erfolgreiche) Chef eines respektablen landwirtschaftlichen Betriebs, für den Nachhaltigkeit kein Modewort sondern Programm ist und der es auch versteht, die Menschen unpolitisch zu begeistern (Krautfest). Mit Wöhrl dürfte für Oberbürgermeister Christian Scharpf (SPD) eine sachliche Zusammenarbeit, aber auch Auseinandersetzung im Stadtrat möglich sein. Wöhrl ist kein “Haudrauf” wie der um Profilierung kämpfende CSU-Kreisvorsitzende Stefan Huber und auch nicht das Sprachrohr von CSU-Wahlverlierern, die im Hintergrund agieren. Franz Wöhrl ist offenbar, was die CSU gern sein möchte, aber in Ingolstadt lange Jahre nicht mehr war: aufgeschlossen, aber bodenständig und nah am Menschen.