Kommentar: Die Wahl vor der Wahl

Wurde die Lärmschutzwand vom “falschen” Juristen begutachtet?

„Zwei Juristen – drei Meinungen“ oder „Ein guter Anwalt ist in der Lage, jede vom Auftraggeber gewünschte Rechtsauffassung zu begründen.“ Derartige Sprüche sind geeignet, das Ansehen der Juristen zu unterminieren. Nur gut dass es auch abfällige Bemerkungen über andere Berufe gibt. So soll Winston Churchill angeblich gesagt haben: „Ich glaube nur der Statistik, die ich selbst gefälscht habe!“ Vermutlich aber stammt dieser Satz gar nicht von ihm, sondern wurde dem britischen Premierminister zu Kriegszeiten von der deutschen Propaganda unterschoben.

Als in den Medien Vorwürfe laut wurden, die teure Lärmschutzmauer an der Manchinger Straße sei gar nicht notwendig gewesen und vielleicht nur auf Wunsch von Alfred Lehmann errichtet worden, der dort Apartments erworben hat, da wollte Oberbürgermeister Christian Lösel gern die Sache klären und das Vertrauen in die Rechtmäßigkeit der Stadtverwaltung wieder herstellen. Eine juristische Stellungnahme musste her. Und da stand das Stadtoberhaupt vor der Wahl: Sollte sich der Rechtsreferent Dirk Müller, also ein städtischer (Wahl-)Beamter, damit befassen oder (nach der Methode Ursula von der Leyen, die sich damit Ärger einhandelte) ein teurer externer Berater, also ein selbständiger Rechtsanwalt (ein Stundensatz von 300 Euro oder mehr ist üblich).

Der Unterschied: Dirk Müller ist als vom Stadtrat bestellter kommunaler Wahlbeamter zu einer gewissen Objektivität verpflichtet. Er sollte das Handeln der Verwaltung unvoreingenommen und gegebenenfalls kritisch unter die Lupe nehmen. Schließlich will er vom Stadtrat wieder gewählt werden. Ein externer Anwalt ist nicht zur Objektivität verpflichtet, vielmehr der Interessenvertreter seines Auftraggebers.

Dirk Müller wurde bei seiner Bestellung aufgrund seiner sehr guten juristischen Qualifikation vom Stadtrat (und im Vorfeld sicher auch vom Oberbürgermeister) ausgewählt. Ihn jetzt nicht mit der Aufgabe der Überprüfung der Rechtmäßigkeit der Lärmschutzmauer zu betrauen, das kann als ein öffentliches Misstrauensvotums von Christian Lösel gedeutet weren. Oder als Furcht des Stadtoberhauptes vor einem missliebigen Ergebnis.

Fritz Kroll ist ein ausgezeichneter Anwalt. Er vertritt die Stadt sehr oft. Auch saß er geduldig im Strafprozess gegen Alfred Lehmann als Vertreter einer städtischen Tochtergesellschaft (Vorsitzender des Kontrollgremiums der Gesellschaft: Christian Lösel) im Zuschauerraum und schrieb fleißig mit, was da so gesagt wurde (im April letzten Jahres sicher auch, dass Alfred Lehmann Gelder von einem Immobilienmakler erhielt, der seine Courtage von der Stadt bekam). Manchmal wechselt er – juristisch korrekt – auch die Seiten und vertritt Mandanten gegen die Stadt oder deren Tochtergesellschaften. So war er für ein Unternehmerehepaar tätig, das von der IFG in der Hildegard-Knef-Straße einen ehemaligen Kasernenblock erwarb. In diesem Gebäude entstanden Apartments, von denen wiederum Alfred Lehmann 12 Stück kaufte. Die Lärmschutzmauer – um es vorsichtig zu formulieren – schadete diesem Bauwerk und den Käufern der Apartments nicht. Fritz Kroll war es auch, der als Vertreter des Ehepaares (der Mann ist zwischenzeitlich verstorben, die Frau saß wegen des Vorwurfes eines Korruptionsdeliktes neben Alfred Lehmann auf der Anklagebank; das Verfahren gegen sie wurde gegen Zahlung einer Geldauflage von immerhin 50.000 Euro eingestellt) mit der IFG (Alfred Lehmann war damals deren Vorsitzender des Verwaltungsrates) verhandelte. Er saß mit Lehmann am Tisch und handelte mit diesem für das Ehepaar die Konditionen des Kaufvertrages mit der IFG aus. Den Vertrag musste ein Mitarbeiter der IFG auf Weisung Lehmanns – so das Ergebnis der Befragung des Mannes im Prozess – gegen seine Überzeugung vor dem Notar beurkunden. Lehmann und Kroll waren sich also einig geworden.

Nun aber zurück zur Lärmschutzwand! Nach der Darstellung der Dinge im Stadtrat durch Fritz Kroll soll es eindeutig sein: Die Wand musste gebaut werden, weil es im Vertrag mit einzelnen – nicht allen -Erwerbern von Grundstücken auf dem Gelände hinter der jetzigen Wand vereinbart worden sei. Wenn es so einfach war, dann stellt sich die Frage: Konnte nicht ein Sachbearbeiter der IFG oder der Stadtverwaltung diese Vereinbarung mit der Verpflichtung zum Mauerbau kopieren und den Journalisten, die hier recherchierten, einfach vorlegen. Warum mussten da Juristen eingeschaltet werden?

Und wenn schon der Oberbürgermeister meinte, er bedürfe juristischen Beistands. Warum dann nicht den des qualifizierten Stadtjuristen Müller?

Und wenn es ein externer Jurist sein sollte, warum dann ausgerechnet Fritz Kroll, der hier für ein Ehepaar tätig war, das faktisch von der Wand profitierte?

Und überhaupt: Gibt es denn nicht seit einiger Zeit für Fälle möglicher Complianceverstöße den städtischen Ombudsmann? Oder steht der nur auf dem Papier?

Es scheint so, als habe sich Oberbürgermeister Christian Lösel hier kurz vor der eigenen Wahl in Sachen Lärmschutzwand „verwählt“. Politisches Fingerspitzengefühl sieht anders aus.