Nicht jeder, der in Ingolstadt geboren wurde oder hier aufwuchs, wollte hier bleiben. Wir folgen den Lebenslinien abtrünniger Schanzer und bitten sie zum Gespräch. Petra Regensburger interviewte die Modedesignerin Susanne Hugenberg.
Heimat prägt Menschen, heißt es. Doch jeder Einzelne erzählt etwas Anderes über seine Heimatstadt und das erzählt auch viel über ihn selbst. Die ersten Schritte. Der erste Schultag. Die erste Liebe. Der Geschmack einer Butterbreze. Erinnerungen, die bleiben, auch wenn man schon lange von daheim fort ist.
Rund um den Globus tummeln sich Ingolstädter, die je nach Entfernung und Abwesenheitsdauer, mehr oder weniger leicht als solche zu identifizieren und aufzuspüren sind.
Manche von ihnen begegnen uns direkt als Gesicht im Fernsehen oder als Synchronstimme im Kino, andere indirekt als Komponist eines Werbejingles oder als Designer eines Kleides. Vielleicht hatten Ex-Ingolstädter ihre Finger bei einer neuen Rosenzüchtung aus Nordirland oder bei der ultimativen Teilchenbeschleunignung in der Schweiz im Spiel? Nichts ist unmöglich und es wäre doch schade, nicht zu wissen, was Ingolstadt an Exportschlagern bereithält!
Wir folgen den Lebenslinien abtrünniger Schanzer und bitten sie zum Gespräch.
Die Serie beginnt mit:
Susanne Hugenberg – Modedesignerin – München/Genua/Innere Mongolei
„Urban, geradlinig, feminin“ – so beschreibt Susanne Hugenberg ihre Modelinie. Spricht man mit ihr, denkt man sofort, das sind Attribute, die auch auf sie selbst zutreffen. Hinzufügen müsste man unbedingt noch „strahlend, augenzwinkernd und ungezwungen“. Im Mittelpunkt ihrer Kollektionen steht das Material in bester handwerklicher Verarbeitung. Langlebig und nachhaltig soll ihre Mode sein und zugleich zeitgemäß und praktisch. Großen Erfolg verbuchte die Designerin mit ihren Kofferkleidern – fließende Jerseykleider, die man tatsächlich einfach ins Gepäck stopfen kann, ohne, dass sie eine Falte davontragen würden! In erster Linie steht Hugenberg aber für Stil in Strick. Nicht umsonst ist das Firmenmaskottchen eine Kaschmirziege: Lucky ist im Firmenblog präsent und lebt mit ihrer Herde in der Inneren Mongolei. Sie wird regelmäßig von Susanne Hugenberg und ihrem Geschäftspartner Adrian Zeichner besucht, die dort gemeinsam mit einer kleinen Manufaktur die Cashmere-Linie entwickeln.
Mit Strick beschäftigt sich die gebürtige Ingolstädterin seit ihrer frühesten Jugend. Schon während ihrer Schulzeit, als sie noch Susanne Weinzierl hieß, entwarf sie Pullover und konnte sich vor Aufträgen kaum retten. Trotzdem entschied sie sich nicht sofort für einen Beruf in der Modebranche, sondern absolvierte zuerst eine Banklehre und drei Semester auf der European Business School in Schloss Reichartshausen am Rhein. Als sie genug von eintönigen Tweed-Jacketts hatte, ließ sie sich in Hamburg und Florenz zur Schnitt-Direktrice ausbilden. Nach sechs Jahren als Einkäuferin bei Ludwig Beck am Rathauseck in München, fühlte sie sich bereit, ihre eigene Firma zu gründen. Heute lebt sie in München und Genua. Die italienische Hafenstadt schätzt sie nicht nur wegen der Nähe zur Modemetropole Mailand, sondern vor allem „als uritalienischen, weltoffenen, multikulturellen Schmelztiegel.“
Was wollten Sie als Kind werden und welchen Beruf haben sich Ihre Eltern für Sie vorgestellt?
Ich wollte als Kind Hautärztin werden. Für die Eltern war alles recht, solange es sich um einen „ordentlichen Beruf“ handelte.
Was hat Sie dazu bewogen, aus Ingolstadt wegzugehen?
Die Art von entspannter Anonymität, die sich nur in einer Großstadt finden lässt.
Kommen Sie noch ab und zu in Ihre Heimatstadt?
Ja, ich komme gerne und regelmäßig, um meine Familie und Freunde zu besuchen.
Was ist Ihre schönste Erinnerung an Ingolstadt?
… an was erinnern Sie sich weniger gern?
Die großen Sommerferien mit der Clique am Baggersee… als Morgenmuffel den frühen Radweg bei Wind und Wetter ins Katharinen-Gymnasium…
Falls Sie Gäste in Ingolstadt herumführen würden…Was würden Sie ihnen auf jeden Fall zeigen?
Das Medizinhistorische Museum mit dem herrlichen Garten, den lauschigen Platz mit dem Marabu-Brunnen vor der Hohen Schule und den romantischen Künettegraben.
Was lassen Sie sich mitbringen, wenn Sie Besuch von Daheim bekommen?
Selbstgebackenen Kuchen von meiner Schwester.
Ist Heimat für Sie ein Ort oder ein Gefühl?
Ein Gefühl. Heimat ist ja angeblich ein Ort „wo man versteht und verstanden wird“. Insofern ist Ingolstadt keine Heimat mehr für mich.
Wenn Sie eine Sache in Ingolstadt verändern dürften: Was wäre das?
Den Pflasterbelag in der Fußgängerzone und am Rathausplatz.
Welche war die beste Entscheidung in Ihrer beruflichen Laufbahn?
Meiner eigenen Kreativität zu vertrauen.
Wann sind Sie kreativ?
Wenn ich nicht daran denke. Das läuft eher beiläufig, zum Beispiel beim Joggen.
Besitzen natürliche Eleganz nur jene, die nichts von ihr wissen?
Das sehe ich nicht so. Natürliche Eleganz besitzen Menschen, die ein Gespür für Materialien und Schnitte haben. Die daraus ein Gesamtkonzept für sich entwickeln, aber das Ergebnis eher entspannt sehen.
Was empfinden Sie als stillos?
Alles was zu „praktisch“ ist – wie zum Beispiel Anoraks, Treckingsandalen, Rucksäcke. Man kann stilvoll und trotzdem praktisch in schönen Materialien gekleidet sein. Das strebe ich mit meiner Mode an.
Warum kann frau in Ingolstadt keine Hugenberg-Mode kaufen?
Der Prophet gilt ja bekanntlich im eigenen Land am wenigsten;-)
Könnten Sie sich vorstellen, irgendwann einmal wieder in Ingolstadt zu leben?
Durchaus, wenn auch nicht durchgängig. Ich reise sehr gerne und liebe meinen Zweitwohnsitz in Genua über alles.
Alle Fotos: oh
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