Fakten und Gerüchte: Stichwahl mit Vorteilen für Christian Scharpf

Es gibt in Ingolstadt eine Stichwahl um das Amt des Oberbürgermeisters zwischen Amtsinhaber Christian Lösel (CSU) und Christian Scharpf (SPD). Der Herausforderer hat leichte Vorteile.

Der neue Oberbürgermeister wird in Ingolstadt erst am 29. März bestimmt werden. Da treten zur Stichwahl Christian Lösel und Christian Scharpf an. Lösel war vor sechs Jahren mit mehr als 52 Prozent im ersten Wahlgang gewählt worden. Jetzt ist er als Amtsinhaber um etwa 18 Prozent abgestürzt. Im Interview mit dem Bayerischen Fernsehen hat er dies auf einen bundesweiten Trend zu Lasten der CSU und das Fehlverhalten seines Amtsvorgängers Alfred Lehmann (CSU) zurückgeführt. Inwiefern dies zutrifft wird man beurteilen können, wenn auch die Sitzverteilung im Stadtrat feststeht. Dann wird man sehen, wo die Ingolstädter CSU steht. Überraschend ist, dass Lösel noch im Februar von Forsa 39 Prozent der Stimmen prophezeit wurden. Das Abrutschen um 5 Prozent ist kaum zu erklären, da er bei der Bewältigung der Corona-Krise keine schlechte Figur gemacht hat. Ein CSU-Mitglied meinte am Tag vor der Wahl: “Die Briefwahl kam zu früh, die Corona-Krise dafür zu spät.” Da mag was dran sein.

Das Abschneiden von Christian Scharpf ist sensationell. Er hatte nur ein reichliches Jahr Zeit, sich in Ingolstadt bekannt zu machen; er gehörte ja dem Stadtrat bisher nicht an und war in München berufstätig. Veronika Peters, eine bekannte und geschätzte Persönlichkeit der Stadt, hatte es vor sechs Jahren auf 28 Prozent gebracht –  damals ein sehr gutes Ergebnis. Nun legt Scharpf im ersten Wahlgang 33,6 Prozent hin. Offensichtlich ist es dem Kandidaten der SPD gelungen, im bürgerlichen Lager Fuß zu fassen. Das war auch sein Wahlziel.

Mit diesem Ergebnis geht er als Favorit in die Stichwahl, denn von wem könnte Christian Lösel noch Stimmen bekommen? Die AfD hatte keinen OB-Kandidaten, was ihm schon genützt haben dürfte. Ob die AfD-Protest-Wähler nochmals zur Urne gehen (an der Briefwahl teilnehmen), um Lösel zu wählen, das ist fraglich. Die Freien Wähler waren mit einem eigenen Kandidaten angetreten, um eine Stichwahl zu erzwingen. Deren Wähler könnten sich zwischen Lösel und Scharpf aufteilen. Scharpf dürfte Unterstützung von all denen erhalten, die einen Wechsel wollen. Da können 10 Prozent von den Grünen, 5 Prozent von der BGI und weitere Stimmen von der ÖDP, von den UDI, der Linken und vielleicht sogar von der FDP kommen.

Aber: Die Corona-Krise kann Christian Lösel nutzen, sich als Macher zu präsentieren. Gerhard Schröder und das Elbe-Hochwasser lassen grüßen. Bisher hat Lösel ja keinen Fehler beim Krisenmanagement gemacht. Im Gegenteil. Und es stellt sich die Frage, ob sich das Wahlverhalten ändert, wenn alle jetzt per Briefwahl wählen müssen. Da könnte mancher Konservative, der aus Verärgerung über die CSU nicht zur Wahl ging, doch das Kreuz bei Lösel machen. Und auch in der Politik gilt die alte Boxer-Weisheit: Angeschlagene, taumelnde Gegner – in diesem Falle Christian Lösel – sind unberechenbar und schlagen oft noch überraschend hart zu. So darf sich Scharpf als Favorit fühlen, aber gewählt ist er noch nicht. Das sollten auch die bedenken, die einen Wechsel wollen.