Oh Tannenbaum

Warum das Waldsterben und die katholische Kirche die weihnachtliche Tanne im Wohnzimmer nicht verhindert haben.

In Ihrem Wohnzimmer steht zu Weihnachten eine Fichte oder Tanne als Weihnachts-/Christbaum? “Selbstverständlich!” werden Sie vielleicht sagen, “Das ist bei uns jedes Jahr zu Weihnachten der Fall”. In den 80er Jahren des letzten Jahrhunderts, also vor etwa 40 Jahren hätte man Ihnen entgegnet, dass der weihnachtliche Baum im Wohnzimmer bald der Vergangenheit angehören werde. “Waldsterben” hieß das Politik und Medien beherrschende Thema. “Saurer Regen über Deutschland. Der Wald stirbt”, schrieb der “Spiegel” und brachte auf der Titelseite traurig in den Himmel ragende Baumstümpfe ohne Äste und jegliches Grün. “Am Ausmaß des Waldsterbens könnte heute nicht einmal der ungläubige Thomas zweifeln”, schrieb “Die Zeit”. Und die Grünen, die schon damals gern von hysterischen Formen des Zeitgeistes profitierten, zogen erstmals in den Bundestag ein, wo sie Helmut Kohl bei der Gratulation zur Wahl zum Bundeskanzler statt Blumen einen verdorrten Tannenzweig überreichten.

Im Jahre 2015, der Wald hätte längst tot sein müssen, berichtete der “Spiegel”: “Das Waldsterben fiel aus.” Zwar ist der Wald immer noch vom Borkenkäfer und anderen Schädlingen bedroht. Aber der saure Regen hat den Wald nicht großflächig vernichtet. Gott sei Dank hatten die Propheten des “Waldunterganges” nicht Recht. Vorschriften gegen Luftverschmutzung und die Fähigkeit des Waldes, sich besser an veränderte Umweltbedingungen anpassen zu können, als die Wissenschaft damals glaubte, sollen das Sterben des Waldes verhindert haben – urteilen die Fachleute heute.

Deshalb haben Sie auch im Jahre 2022 noch Ihren weihnachtlich geschmückten Baum. Sollten Sie allerdings katholisch sein, dann war das auch nicht abzusehen. Die katholische Kirche betrachtete bis ins 19. Jahrhundert den damals von den norddeutschen Protestanten schon geliebten Baum zum Weihnachtsfest als abzulehnenden heidnischen Brauch. Und in der Tat erfreuten sich Tannenzweige an öffentlichen Orten und vor den Häusern schon bei den alten Germanen zur Zeit der Wintersonnenwende (21./22 Dezember) großer Beliebtheit. Erste schriftliche Hinweise auf geschmückte Tannenbäume zu Weihnachten gibt es um 1605 im Elsass. Im Jahre 1824 ging von Leipzig aus das Weihnachtslied “Oh Tannenbaum” um die Welt. Als “protestantisches Zeug” beschimpften die katholisch denkenden Münchner zunächst noch die Weihnachtsbäume, die von den protestantischen Ehefrauen Karoline und Therese der Wittelsbacher Herrscher (König Max I. Joseph und Ludwig I.) in München aufgestellt wurden. Doch Mitte des 19. Jahrhunderts wurde die Begeisterung für das weihnachtliche Grün immer größer. Als Widerstand zwecklos wurde, machte die katholische Kirche den “Weihnachtsbaum” zum “Christbaum” und vereinnahmte ihn vollständig für sich selbst. Dank sei den protestantischen Königinnen! Erfreuen Sie sich also am Ihrem weihnachtlichen Grün.

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