Titel: Brunnquell – Farbe, Formen, Faschingsbälle

Die Faschingsbälle der Firma Brunnquell waren legendär und entsprachen damit ganz der Lebensphilosophie von Traudl Brunnquell.

Sechs Archivkartons, einige Fotoalben und ein Sammlungsbestand an Leuchten – das war die „Grundausstattung“ für die Recherche von Marie-Luise Heske, Kuratorin der Sonderausstellung „Brunnquell. Lampendesign aus Ingolstadt“ im Museum für Konkrete Kunst. Was zunächst nach keiner allzu üppigen Quellenlage aussah („Man wusste fast nichts zur Person Traudl Brunnquell“), entwickelte sich allerdings zu einer echten Entdeckungsreise in die Geschichte einer Firma und einer ganz besonderen Frau. Dazu wurden weitere Quellen „angezapft“, etwa eine Masterarbeit über Traudl Brunnquell, Dokumente und Fotos aus dem Ingolstädter Stadtarchiv und dem Museum in Sondershausen, Interviews mit ehemaligen Brunnquell Mitarbeitern und Mitgliedern der Familie Peters, die einen entscheidenden Anteil daran hatte, die Firma Brunnquell nach Ingolstadt zu holen.

Gertrud “Traudl” Maria Adam 1924 (Foto: Archiv Stiftung für Konkrete Kunst und Design)

Gertrud Maria Adam wurde 1919 in München geboren, wo sie auch zur Schule ging und schließlich bei den Isar-Amperwerken arbeitete. Über ihre Cousin Fritz Peters lernte sie Mitte der 1930er Jahre Karl-Heinz Brunnquell, den künftigen Leiter von Brunnquell & Co. im thüringischen Sondershausen, kennen, den sie am 31.3.1945 heiratete.

Karl-Heinz und Traudl Brunnquell 1948 (Foto: Archiv Stiftung für Konkrete Kunst und Design)

Bereits damals gab es über die Firma Peters geschäftliche Kontakte nach Ingolstadt und schließlich war es auch Fritz Peters, der Gründer der Gebrüder Peters, der dem Ehepaar Brunnquell nach der Flucht in den Westen und ihrer Firma einen Neustart in Ingolstadt ermöglichte. Auf dem Gelände des ehemaligen Militärbahnhofs wurde die Firma für Elektroinstallationsmaterial wieder neu gegründet. Der Bedarf an Leitungen, Schaltern, Steckdosen und Co. war in der Nachkriegszeit enorm und die Firma entwickelte sich rasant. 1951 wurde in der Ettinger Straße eine Fabrik mit 500 Arbeitsplätzen errichtet.

Traudl Brunnquell als „Creative Director“

Als in den 1960er Jahren der Kunststoff immer mehr als Material aufkam, wurden die Porzellanbrennöfen der Firma Brunnquell in Ingolstadt eigentlich nicht mehr gebraucht. Aber Traudl Brunnquell, Prokuristin des Unternehmens, erkannte darin eine Chance und begründete eine eigene Leuchtensparte, deren Design sie selbst verantwortete. Sie zählte zu dieser Zeit zu den wenigen Frauen in einer derartigen Position. Und auch die Kataloge und Messeauftritte wurden von ihr gestaltet. „Man würde sie heute wohl Creative Director nennen,“ meint Marie-Luise Heske. Traudl Brunnquell war ausgebildete technische Zeichnerin, die aber schon immer Künstlerin werden wollte. „Mit der Leuchte hatte sie etwas gefunden, wo sie sehr kreativ sein konnte,“ erklärt Marie-Luise Heske. Andererseits wurde ihre Kreativität durch Form und Funktionalität – immerhin war es ja ein Gebrauchsgegenstand – gezügelt und sie musste die beste Kombination aus Funktionalität und Optik finden. Wo sie das tat? Ihre Inspiration fand sie u.a. bei italienischen Designern wie Ettore Sottsass (Heske: „Sie hat nicht abgekupfert oder kopiert“) und die Toskana galt als ihr Lieblingsreiseziel. Als Lebensfroh kann man die orangenen, roten und grünen Leuchten und Lampen bezeichnen, von denen in den 1960er und 1970er Jahren etliche in diversen Wohn- und Schlafzimmern der Region (und weit darüber hinaus) zu finden waren. „Farbe war ihr Ding,“ erklärt die Kuratorin. „Sie selbst war auch eine sehr bunte Erscheinung.“

Praktisch gedacht: Die fabenfrohen Werbefotos für Kataloge und Co. wurden wie in diesem Fall zu Hause in der “Brunnquell Villa” gemacht. Das sparte Zeit und Kosten. (Foto: Archiv Stiftung für Konkrete Kunst und Design)

Das zeigte sich auch bei den Betriebs-Faschingsbällen, die die Firma Brunnquell in Ingolstadt veranstaltete. Legendäre Bälle seien das gewesen und Traudl Brunnquell überraschte die Gäste gerne mit extravaganten, farbenfrohen Kostümen. Zu Geschäftspartnern und Mitarbeitern soll sie ein sehr offenes und freundschaftliches Verhältnis gehabt haben.

Faschingsball der Firma Brunnquell 1962 (Foto: Archiv Stiftung für Konkrete Kunst und Design)

1977 erhielten Modelle der Designerin aus Ingolstadt auf der Sonderschau der Hannover-Messe die Auszeichnung „Die gute Industrieform“ – ein Höhepunkt in Traudl Brunnquells Laufbahn. 1979 beendete sie ihre Arbeit als Leuchtendesignerin und widmete sich fortan ganz der Kunst. Sie starb 2010 (das Unternehmen war bereits an die Firma Lindner verkauft worden, da das Ehepaar Brunnquell keine Kinder hatte). „Schade, dass sie nicht so wertgeschätzt wurde, wie es ihr gebührt,“ meint Marie-Luise Heske. 2017 wurde Traudl Brunnquell als 17. Stiftungskünstlerin in die Stiftung für Konkrete Kunst und Design Ingolstadt aufgenommen. Und mit der Sonderausstellung im MKK holt man jetzt eine längst fällige Würdigung des Schaffens dieser kreativen „Lichtgestalt“ nach.

Ein Begriff in Ingolstadt ist – nicht zuletzt wegen der Diskussionen um die künftige Nutzung – die sogenannte Brunquell Villa in der Neuburger Straße in Ingolstadt. Diese ist in den 1930er Jahren erbaut worden und stand nach dem Tod Traudl Brunnquells viele Jahre leer. Im Juni 2014 fand vor Ort unter anderem eine Theaterperformance statt, bei der Senioren die Villa „besetzten“.

2014 wurde die Brunnquell Villa vom Stadttheater Ingolstadt bespielt. Im selben Jahr wurden Einrichtungsgegenstände im Rahmen eines Flohmarkts verkauft. (Foto: Arzenheimer)

Danach war die Villa als Unterkunft für Asylbewerber von der Stadt angemietet worden. Die Villa selbst wird vermutlich bald Geschichte sein: Auf dem Gelände sind als künftige Nutzung vier Mehrgenerationenhäuser geplant. Dafür haben es einige Objekte aus dem Haus jetzt ins Museum geschafft. Neben 100 Leuchten aus dem Hause Brunnquell und Lampendesigns aus der Zeit von Traudl Brunnquell sind auch Möbel aus der Villa in der Brunnquell Ausstellung im Museum für Konkrete Kunst zu sehen.

Brunnquell
Lampendesign aus Ingolstadt
noch bis 19. April im Museum für Konkrete Kunst in Ingolstadt, Tränktorstr. 6-8
www.mkk-ingolstadt.de
Tel.: 0841/305 1871