Thema: Die Corona-Angst

Die Angst, vom Coronavirus infiziert zu werden, geht um. Wie geht man damit um? Wir baten Prof. Dr. Elisabeth Kals von der Katholischen Universität Eichstätt-Ingolstadt um ihre Einschätzung der Situation.

Prof. Dr. Elisabeth Kals ist Inhaberin der Professur für Sozial- und Organisationspsychologie an der KU.

Frau Prof. Dr. Kals, was kann ein Mensch machen, der nachts wach wird und dem dann einfällt, mit wie vielen Menschen er am Vortag Kontakt hatte und bei denen er sich infiziert haben könnte?

Prof. Dr. Kals: Es ist wichtig, die Ängste zu verstehen und zu spezifizieren. Die Person könnte sich zunächst fragen, welche Ängste es genau sind, die sie da plagen. Hat sie Angst, sich selbst infiziert zu haben und möglicherweise ernsthaft zu erkranken? Richtet sich die Angst darauf, nicht zu wissen, wie damit umzugehen ist, falls eine Infektion vorliegt? Besteht Angst, im Falle einer Erkrankung nicht ausreichend medizinisch versorgt zu werden? Geht es um die Folgen einer Erkrankung, wie Angst vor wirtschaftlichen Einbußen, Verlust des Arbeitsplatzes oder Sorge, dass dann die Familie nicht mehr gut versorgt oder einem höheren Ansteckungsrisiko ausgesetzt ist?

Indem man diese und ähnliche Fragen beantwortet, werden die Gedanken bewusst, die hinter den Ängsten stehen. So werden aus den diffusen Ängsten konkrete Ängste, die sich dann angehen lassen und die dadurch oftmals “ihren Schrecken verlieren”.

Neben diesem Ansatz, der die Gedanken und Urteile ins Zentrum rückt, die Ängsten zugrundeliegen, kann man auch an körperlichen Symptomen der Angst ansetzen. Angst geht mit bestimmten physiologischen Maßen einher, wie erhöhtem Herzschlag, schnellere und flachere Atmung etc. Hier helfen Entspannungstechniken, von denen eine bewusste und tiefe Atmung zu denjenigen gehören, die sich jederzeit und ohne großes Training anwenden lassen.

Auch das reflektierte Gespräch mit anderen hilft, um eigene Ängste zu überwinden.

 

Falls die Bewältigung der Ängste mit “Bordmitteln” nicht möglich ist: An wen kann sich ein von Ängsten geplagter Mensch wenden?

Das hängt von der Stärke und dem Ausmaß der Angst ab. Sollte es eine Form der Angst sein, die nicht mehr alleine oder mit Hilfe nahestehender Personen bewältigbar ist, steht der psychotherapeutische Dienst als Angebot zur Verfügung. Geht es hingegen um einen absoluten Notfall, so wäre auch an die psychiatrische Ambulanz zu denken.

Aber für die allermeisten Menschen wird gelten, dass wir gut mit den jeweiligen Ängsten zurechtkommen werden, und es sich lohnt, auf die positiv erlebten Gefühle zu schauen, die aktuell ebenfalls wachsen, wie Empathie mit anderen oder Gefühle der Solidarität und Gemeinschaft.

 

Durch den Ausfall von Schulunterricht und Kinderbetreuung lebt die Familie jetzt enger beieinander. Gibt es Tipps, damit sich die Familienmitglieder nicht auf die Nerven gehen und sich wechselseitig verrückt machen?

Enger beeinander” zu sein, ist ja zunächst einmal eine positive Entwicklung. Sie kann bedeuten, mehr gemeinsame Zeit miteinander gestalten zu können. Nun kommt es darauf an, diese Gestaltungsspielräume positiv zu nutzen. Als Familie könnte man z.B. überlegen, was man gemeinsam tun kann, um jene Mitbürger oder Nachbarn zu unterstützen, die aktuell Hilfe brauchen. Sei es, indem man Erledigungen für sie übernimmt oder auch, indem man vermeidet, dass aktuell ohnehin schon einsame Menschen noch einsamer oder isolierter werden.

Durch diesen Fokus auf andere, etwa auf Menschen, die zur Risikogruppe gehören, wird zugleich die eigene Perspektive erweitert. Familiäre Fragen und Probleme werden relativiert und rücken in den Hintergrund. Auf diese Weise werden die Chancen genutzt, die die jetzige Situation bietet, um Solidarität und soziale Verantwortungsübernahme wachsen zu lassen. Hier können wir wechselseitig, Kinder wie Eltern, zum Modell werden.

In einem Interview Constantin Schulte Strathaus, dem Leiter der Pressestelle der KU, hatte Prof. Dr. Kals die Auffassung vertreten, die Gesellschaft könne an der Corona-Krise wachsen. 

Die Gesellschaft kann an der Corona-Krise auch wachsen, wenn der moralische Kompass darauf ausgerichtet ist, Schwache sowie Helfende in besonderer Weise zu schützen. „Viele von uns werden schon jetzt positive Interaktionen im Alltag erleben. Ganz nach dem Motto ,In dieser Zeit der Krise müssen wir zusammenhalten‘“, betont die Sozialpsychologin Prof. Dr. Elisabeth Kals von der KU. Es gelte, solche Beispiele stärker publik zu machen, damit sie zur Nachahmung führen und ein Klima der Solidarität stärken. Ein reflektierter Medienkonsum, bei dem auch solche positiven Beispiele wahrgenommen werden, gehöre dazu.

Das vollständige Interview finden Sie hier.