Titel: Brückenbauer gesucht

Ist die Stadt mit elf Gruppierungen im Stadtrat unregierbar geworden?

Die Ingolstädter haben elf Gruppierungen in den Stadtrat gewählt. Immerhin noch zwei weniger als in München. Die kleinen Parteien/Gruppierungen haben jetzt mehr Einfluss als im letzten Stadtrat. Selbst die beiden größten Fraktionen (CSU und SPD) verfügen zusammen über keine Mehrheit. Ist die Stadt damit unregelbar geworden? Mitnichten!

Die Mehrheitssuche im Stadtrat ist gar nicht so schwierig, wie es manchmal in der Öffentlichkeit scheint. Mehr als 90 Prozent der Beschlüsse werden einstimmig gefasst. Da geht es oft um wichtigere Dinge als um die Themen, bei denen medienwirksam gestritten wird. Denn wie wichtig ist denn zum Beispiel die Toilettenanlage im Fort Peyerl, bei der die CSU zusammen mit den Freien Wählern und Ulrich Bannert (AfD) noch mal richtig ihre Machtspielchen vorführen konnte. Unbemerkt von einer breiteren Öffentlichkeit werden die wirklich wichtigen Themen einstimmig oder mit ganz großer Mehrheit beschlossen. Das ist bei den meisten Bebauungsplänen der Fall, bei der Förderung von Vereinen und Kultur, beim Bau von Sportstätten und oft sogar beim städtischen Haushalt, der die finanzielle Grundlage des Verwaltungshandelns bildet.

Die politisch bunte Vielfalt im Stadtrat ist daher nicht schädlich. Sie zwingt die Parteien dazu, nach sachlichen Lösungen zu suchen und gegebenenfalls von Parteiprogrammen abzuweichen. Gerade das möchte auch die bayerische Gemeindeordnung, nach der es Koalitionen eigentlich gar nicht geben soll. Das Gemeinderecht bewertet die Person eines Stadtrates höher als die Partei. Deshalb können ja auch Kandidaten verschiedener Parteien gewählt und die Reihenfolge innerhalb einer Partei durch individuelle Vergabe von Stimmen geändert werden.

Was nun die wenigen strittigen Fragen betrifft, so braucht die Stadt an ihrer Spitze einen Oberbürgermeister, der Gräben überwinden, also Brücken bauen kann. Hier liegen die Vorteile bei Christian Scharpf. Er ist unverbraucht, war nicht an Graben- und Machtkämpfen im letzten Stadtrat beteiligt und im Gegensatz zum Amtsinhaber, der leider Stadträten, die ihn seiner Meinung nach zu hart kritisiert haben, sogar den Handschlag verweigert, erweckt der Kandidat der Sozialdemokraten den Eindruck, offen auf Menschen jeglicher politischer Couleur zuzugehen.