Spekulationen zwischen Aschermittwoch und Starkbierzeit von Hermann Käbisch
Verhindert der bayerische Ministerpräsident Markus Söder, dass bei der Kommunalwahl 2026 in Ingolstadt ein CSU-Kandidat das Rennen machen kann? Das klingt absurd. Nachdem aber mit den Aschermittwoch-Reden die bayerische Politik in der Starkbierzeit angekommen ist, darf man starke Sprüche klopfen, auch wenn möglicherweise wenig dahinter ist.
Also: Nachdem in Ingolstadt nun auch Alfred Grob, der amtierende Landtagsabgeordnete der hiesigen CSU bei der Frage, ob er 2026 als OB-Kandidat der Partei zur Verfügung stehe, offiziell abgewinkt hat, ist guter Rat bei den Schanzer Schwarzen teuer. Keiner will sich gegen Christian Scharpf, den populären Amtsinhaber der SPD, blamieren. Es scharren nur die CSU-ler mit den Hufen, die von vornherein keine Chancen haben. Das sollte dem bayerischen Ministerpräsidenten und CSU-Parteivorsitzenden, also Markus Söder, Sorgen bereiten. Immerhin ist Ingolstadt eine bayerische Großstadt und wurde 48 Jahre lang von einem CSU-Oberbürgermeister „regiert“.
Doch Söder hat in München andere Probleme: Nach derzeitiger Rechtslage darf der Münchner Oberbürgermeister Dieter Reiter (SPD) wegen des Erreichens der Altersgrenze 2026 nicht mehr antreten. Das sollte den schwarzen Söder eigentlich freuen. Doch: Laut Münchner Medien befürchtet er, dass die populäre grüne Bürgermeisterin Katrin Habenschaden Nachfolgerin von Reiter werden könnte. Einen CSU-Kandidaten, der das in München verhindern könnte, sieht Söder offensichtlich nicht. Nun wird gemunkelt, dass dem Ministerpräsidenten ein sozialdemokratischer Dieter Reiter tausendmal lieber sei als eine grüne Habenschaden. Söder denkt laut über eine Änderung der bayerischen Wahlgesetze nach, so dass Reiter wieder antreten könnte und mit hoher Wahrscheinlichkeit gewählt werden würde. Es soll sich sogar eine Art Männerfreundschaft zwischen Söder und Reiter entwickelt haben.
Aber was hat das mit Ingolstadt zu tun? Sollte es bei der bisherigen Rechtslage bleiben und Reiter als SPD-Kandidat in München ausscheiden, brauchen die Münchner Genossen eine Persönlichkeit, die sich bei der Kommunalwahl 2026 gegen die grüne Bürgermeisterin Habenschaden durchsetzen könnte. Da drängt sich in München nicht wirklich jemand auf, wenn auch einige die Sozialdemokratin Verena Dietl für fähig halten. Als Strippenzieher im Hintergrund gilt in München nach wie vor der frühere Oberbürgermeister Christian Ude (SPD). Der war mal der Chef des jetzigen Ingolstädter Oberbürgermeisters Christian Scharpf und beide verbindet offensichtlich eine tiefe Freundschaft. Erst kürzlich trug sich Ude ins Goldene Buch der Stadt Ingolstadt ein. Er verpasste auch die von den Genossen organisierte Ingolstädter Ballnacht nicht. Nun wird gemunkelt, Ude könnte Christian Scharpf in München ins Spiel bringen. Immerhin gewann Scharpf in Ingolstadt aus nahezu aussichtsloser Ausgangsposition gegen den Amtsinhaber Christian Lösel. Scharpf kommt bei den Bürgern an, versteht es, Menschen und Medien für sich einzunehmen. Auch das hat er von Ude gelernt. Und überhaupt ließe sich Scharpf den Münchnern gut als Oberbürgermeister verkaufen: Er lebte viele Jahre in München, kennt die Strukturen im Münchner Rathaus gut aus seiner Zeit, als er im Vorzimmer von Ude tätig war. Seine Frau arbeitet in München, wo auch seine Kinder zur Schule gehen. Für Münchner Verhältnisse ist Scharpf ein echter Münchner (die wenigsten Münchner werden in der Stadt geboren).
Absoluter Schmarrn? Selbst einige Ingolstädter Sozialdemokraten sind besorgt, wie tiefenentspannt Scharpf die Sitzungen des Stadtrats leitet und sich auch sonst verhält. Leidenschaftliches Engagement sieht anders aus. Seit der Pleiten bei den Bürgerentscheiden betreffend die Standorte für Kammerspiele und Schulneubau (die ihm allerdings Vorgänger Lösel eingebrockt hat) haben einige den Eindruck, Scharpf könne sich über nichts mehr aufregen. Hat er von den Ingolstädter Kleingeistern im Stadtrat und in der Bürgerschaft die Nase voll? Wirtschaftlich ist die Familie Scharpf auf das Einkommen eines Ingolstädter Oberbürgermeisters nicht angewiesen. Und Gattin Stefanie Geith dürfte angesichts der Modetempel in der Münchner Maximilianstraße die Ingolstädter Ludwigstraße nicht vermissen.
Böse Zungen behaupten: Die Ingolstadt CSU organisiert Wallfahrten zum Ministerpräsidenten, damit dieser die Altersgrenze nicht erhöht, Reiter also nicht mehr antreten kann und die Münchner Genossen einen neuen OB-Kandidaten brauchen. Sie erinnern sich gern an 1972: Da wollte niemand gegen den populären SPD-Oberbürgermeister Otto Stinglwagner antreten. Das harte Los der Kandidatur traf Peter Schnell. Plötzlich trat Stinglwagner aus persönlichen Gründen nicht mehr an. Peter Schnell war dann 30 Jahre lang Ingolstädter Oberbürgermeister. Hebt aber Söder die Altersgrenze für hauptberufliche Bürgermeister an, kandidiert also Reiter in München wieder, sieht es düster aus für die Schwarzen in Ingolstadt.