Als der Ombudsmann Franz Xaver Goldbrunner zu Beginn des Jahres 2016 Oberbürgermeister Christian Lösel von Vorwürfen gegen den damaligen Klinikchef Heribert Fastenmeier in Kenntnis setzte, reagierte das Stadtoberhaupt sofort. Doch wie war es bei Alfred Lehmann?
Die Anklageschrift der Staatsanwaltschaft Ingolstadt gegen Alfred Lehmann datiert vom Februar 2018 (!). Zu diesem Zeitpunkt waren also die Ermittlungen spätestens abgeschlossen. Die Kanzlei von Rechtsanwalt Kroll und eine Münchner Kanzlei, die vom Klinikum beziehungsweise dem Klinikum Zweckverband beauftragt worden waren, erhielten regelmäßg schon während der Ermittlungen Akteneinsicht. So nahmen die Anwälte auch nach Fastenmeiers Tod im Dezember 2017 im Januar 2018 bei einer Pressekonferenz zum eigenen Vorgehen gegen Fastenmeier Stellung und ließen dabei ihre Kenntnis vom Akteninhalt erkennen.
Am 12. Verhandlungstag im April 2019(!) erläuterte eine Kriminalbeamtin anhand der Akten, welche Zahlungen Alfred Lehmann von Firmen erhalten hatte. Darunter waren Geldbeträge, die von einem Neuburger Bauunternehmer stammten (ca. 50.000 Euro). Dieser war in der Vergangenheit auch Mietvertragspartner der Stadt Ingolstadt. Auch Bauvorhaben für seine Firma wurden genehmigt. Er war auch Mitglied einer Delegation der Stadt Ingolstadt bei einem Besuch der Partnerstadt Foshan in China. Zahlungen erfolgten ferner von einem in der Region tätigen Immobilienmakler (ca. 35.000, Euro). Dieser erhielt nach unseren Informationen seit Amtsantritt von Christian Lösel (Mai 2014) mehr als 500.000 Euro an Provisionen von der Stadt (oder ihren Tochtergesellschaften). Das sollen etwa 80 Prozent der Honorare sein, die insgesamt in diesem Zeitraum (2014 bis heute) für die Vermittlung von Grundstücken an Makler oder andere Firmen bezahlt wurden. Lehmann erhielt wohl auch einen fünfstelligen Betrag von einer JR Personalvermittlungsfirma, die Insider teilweise Peter Jackwerth zurechnen. Einen Betrag von mehr als 30.000 Euro erhielt Lehmann von einer Firma, die ein Grundstück für das Baugebiet Am Samhof vermittelt hatte. Offensichtlich ist – so kann man eine Pressemitteilung der Stadt verstehen – bis heute nicht geklärt, wofür Lehmann die Gelder eigentlich bekam.
Die genannten Zahlungen und deren “Absender” haben sich im Zeitpunkt der Anklageerhebung, also vor zwei Jahren, bereits namentlich in den Akten befunden. Die Anwälte hatten schon vor Anklageerhebung Akteneinsicht. Daher dürften die Zahlen bereits seit zwei Jahren und nicht erst seit April 2019 den Vertretern des Klinikums und damit dem Oberbürgermeister als Vorsitzenden des Aufsichtsrates und der Zweckverbandsversammlung bekannt gewesen sein. Oder soll behauptet werden, die Anwälte hätten diese brisanten Informationen vor dem Auftraggeber geheim gehalten?
Im Fall Fastenmeier beauftragte Christian Lösel sofort eine Kanzlei mit der Prüfung der Vorwürfe und schaltete einen externen Wirtschaftsprüfer ein. Geschah im Falle Lehmann nichts? Es sieht so aus, denn wie sonst könnte man sich jetzt so unwissend stellen und auf die Staatsanwaltschaft als Ermittlungsbehörde verweisen, die sich um Aufklärung bemühen solle. Dabei standen Lehmann und Lösel durchaus noch persönlich im Kontakt. Das Stadtoberhaupt hätte seinen Amtsvorgänger problemlos um Aufklärung bitten können.
Es kann sein, dass die Entgegennahme der genannten Beträge (in der Summe mehr als 100.000 Euro) strafrechtlich nicht zu ahnden ist. Politisch ist es unhaltbar. Und schon deshalb hätte hier eine Prüfung durch die Stadt oder das Klinikum – so wie bei Fastenmeier geschehen – erfolgen müssen.
Fortsetzung folgt.