Zur Situation in der CSU – Kommentar von Hermann Käbisch
Bevor der CSU-Kreisvorsitzende Alfred Grob hauptberuflich in die Politik wechselte, war er der Chef der Kriminalpolizei Ingolstadt. Da hat er gelernt: Man muss zunächst gründlich ermitteln, bevor man andere anklagt. Diese Erfahrung kommt ihm jetzt zugute. Nach der krachenden Wahlniederlage der CSU bei der Kommunalwahl im März sind nämlich einige Parteifreunde mit Schuldzuweisungen und Anklagen zu schnell bei der Hand.
Die Stadtratsfraktion
Nachdem Amtsinhaber Christian Lösel die Stichwahl gegen Christian Scharpf (SPD) verloren hatte und die CSU-Fraktion von 22 auf 13 Stadtratsmandate absackte, war der Frust in der Partei groß. Es bestand die Gefahr, dass die CSU, die in der Vergangenheit nicht nur den Oberbürgermeister sondern auch den zweiten Bürgermeister gestellt hatte, in der Öffentlichkeit nur noch wenig wahrgenommen wird. Grob übernahm den in dieser Situation sicher undankbaren Job des Fraktionsvorsitzenden. Durch Absprachen mit der SPD und den Grünen konnte er erreichen, dass die CSU mit Dorothea Deneke-Stoll wenigstens wieder den zweiten Bürgermeister stellt und somit in der Riege der Bürgermeister präsent ist. Das brachte ihn bei einigen Hardlinern in der CSU Kritik ein. Nicht alle in der CSU haben bisher begriffen, dass die Partei mit 13 Mandaten ohne Absprachen mit anderen Parteien nichts mehr bewegen kann. Grob und die Vertreter der Sozialdemokraten und Grünen haben auch stets klargestellt, dass diese Vereinbarung betreffend die Wahl der weiteren BürgermeisterInnen (die Vereinbarung beinhaltete auch, dass die CSU Petra Kleine bei deren Kandidatur für das Amt der dritten Bürgermeisterin unterstützt) keine Koalitionsvereinbarung im klassischen Sinne ist und keine der beteiligten Parteien bei künftigen Abstimmungen in irgendeiner Form bindet. Die Aufregungen in der Partei ist daher unbegründet.
Die Partei
Es ist keine Überraschung, dass es in der erfolgsverwöhnten CSU nach diesem Absturz bei der Kommunalwahl rumort. So haben wohl auch mindestens zwei Ortsverbände auf Vorstandsebene Beschlüsse gefasst, wonach der gesamte Kreisvorstand zurücktreten solle. Dass dies dann in einem Fall auch noch (von CSU-Mitgliedern mit Eigeninteresse) an die Medien durchgestochen wurde, war der Sache sicher nicht dienlich. Dann stehen an der Spitze dieser Ortsverbände auch noch Vorsitzende, die sich bei der Kommunalwahl (auf der Liste der Partei oder der Jungen Union) nicht unbedingt mit Ruhm bekleckert haben. Mit diesen Wahlergebnissen betreffend die eigene Person sollte man nicht zu laut den Rücktritt anderer fordern. Grob für das schlechte Abschneiden der CSU-Kandidaten verantwortlich zu machen, ist nicht gerechtfertigt. Er ist erst seit 2019 Kreisvorsitzender und spielte im sogenannten „inneren Zirkel“, der maßgeblich an der Aufstellung der Liste für den Stadtrat beteiligt war, damals noch keine Hauptrolle. Die Verantwortlichkeit dafür, dass vermeintliche Trümpfe (auf der Liste z. B. auf den Plätzen 8, 9, 10 und 12 platziert) nicht stachen, tragen in erster Linie Christian Lösel und Albert Wittmann, die für bestimmte Kandidaten ihren Einfluss geltend machten.
Grob macht jetzt bei der Wahlanalyse, was sich in jahrzehntelanger beruflicher Tätigkeit als Kripo-Beamter bewährt hat: Den Sachverhalt zunächst gründlich ermitteln. Das hat er auch ohne Ansehen der Person im Verfahren gegen Alfred Lehmann als Kripo-Chef tadellos gemacht. Dass nun ausgerechnet aus dem Freundeskreis des inzwischen rechtskräftig verurteilten früheren Oberbürgermeisters eine „Analyse“ der Partei (von einem früheren Hoffnungsträger) in Umlauf gebracht wird, in der das Strafverfahren gegen Lehmann heruntergespielt und nach vermeintlich wichtigeren Gründen für die Wahlniederlage gesucht wird, ist erstaunlich. Gehört der Analyst vielleicht zu denen in der CSU, die bis zum Schluss meinten, Lehmann solle nichts gestehen, man könne ihm nichts nachweisen? Vor Analysten mit diesen Fehleinschätzungen ist die CSU zu warnen. Natürlich muss sich die Partei der Niederlage stellen und Konsequenzen ziehen. Eine offene Aussprache ist nötig, sollte aber, so bald die Umstände es zulassen, von Angesicht zu Angesicht und nicht per Video-Konferenz erfolgen. Alfred Grob und der CSU-Kreisvorstand sind daher gut beraten, ohne Hektik nach den Gründen der Wahlniederlage zu suchen und erst dann die Frage nach der Verantwortlichkeit stellen. In der Ruhe liegt die Kraft.