Kommentar: Wo befindet sich die Gürtellinie?

Christian Lösel ist nicht der erste Politiker, der sich darüber beklagt, “unterhalb der Gürtellinie” angegriffen worden zu sein. Wo ist diese Linie anzusiedeln?

Im Idealfall ist die politische Auseinandersetzung in der Sache hart aber nicht persönlich. Hart sollte der Austausch der Meinungen schon deshalb sein, weil zu freundlicher Umgang der politischen Gegner miteinander sofort einige auf den Plan ruft, die meinen: “Die tun sich doch nichts und stecken alle unter einer Decke!” Die unterschiedlichen politischen Standpunkte sollten daher mit Deutlichkeit und einer gewissen Härte formuliert werden. Politik unterscheidet sich eben doch vom wechselseitigen Zuwerfen von Wattebällchen.

Vermieden werden müssen persönliche Angriffe. Da geht es zum einen um die Form. Beleidigungen oder Verunglimpfungen des politischen Gegners haben zu unterbleiben. Den Stadtrat als “Deppenhaufen” zu bezeichnen oder den SPD-OB-Kandidaten als “Import aus München” – so etwas würde natürlich nicht einmal der etwas härter gesottene Albert Wittmann machen … (zumal wenn der OB-Kandidat der Ingolstädter CSU in München geboren wurde).

Unabhängig von der Form kann ein Angriff auch in der Sache persönlich sein und Grenzen überschreiten. Das ist etwa dann der Fall, wenn familiäre Beziehungen, die zum politischen Amt keinen Bezug haben, thematisiert werden. Der letzte sozialdemokratische Oberbürgermeister von Ingolstadt, Otto Stinglwagner (von 1966 bis 1972 OB), stolperte über eine Affäre im Rathaus. Als diese (es wurde eine lebenslange Beziehung daraus) bekannt wurde, trat er nicht mehr an. So waren damals die Sitten.

Zum höchstpersönlichen Bereich zählen im Grundsatz auch die wirtschaftlichen Verhältnisse der Kandidaten. Sollte in CSU-Kreisen tatsächlich, was kolportiert wird, die offensichtlich erhebliche wirtschaftliche Potenz des SPD-Herausforderers wegen dessen Wahlkampfausgaben negativ vermerkt werden, so ist das kein unzulässiger Einblick in dessen Privatsphäre und Scharpf wird das herzlich egal sein. Aber war es zulässig, dass ein SPD-Stadtrat in einer Stadtratssitzung Auskunft über eine private Vermögensanlage des amtierenden Oberbürgermeisters haben wollte? Auf den ersten Blick könnte man das verneinen. Wenn aber das finanzielle Engagement des amtierenden Oberbürgermeisters zusammen mit einer Geldanlage des Amtsvorgängers erfolgte und das Geld letztendlich in einer Firma landete, an der ein auswärtiger Bauunternehmer (der Lehmann als Berater bezahlte) beteiligt war und dieser Unternehmer in Ingolstadt ständig im geschäftlichen Kontakt (Vermietungen und Baugenehmigungsverfahren) mit der Stadt stand, dann war die Frage berechtigt. Die Geldanlage hatte  ein “Gschmäckle” und Lösel hat sich zu Recht von der Geldanlage getrennt. Es ist zu hoffen, dass diese Frage nicht der Grund war, warum Lösel diesem Stadtrat den Handschlag verweigert. Ob diese Geldanlage “juristisch ausgestanden” ist, das wird sich ohnehin erst in den nächsten Monaten weisen.

Fazit: Bisher gab es in Ingolstadt allenfalls grenzwertige Scharmützel, aber richtig harte Schläge unterhalb der Gürtellinie waren bis heute nicht zu registrieren.