Scharpf, Lösel und Stachel – Eine Frage der Glaubwürdigkeit

Politiker müssen glaubwürdig sein. Oberbürgermeister Christian Scharpf (SPD), sein Vorgänger Christian Lösel (CSU) und Hans Stachel (FW-Fraktionsvorsitzender) sollten darüber nachdenken. Ihr Verhalten im Rahmen der Abstimmung über den Tag der Deutschen Einheit als verkaufsoffener Feiertag ist kritikwürdig. Kommentar von Hermann Käbisch

Die Innenstadt war gut besucht, wenn in der Vergangenheit am Tag der Deutschen Einheit (3. Oktober), also an einem Feiertag, die Geschäfte in der City geöffnet waren. Mehr Leben in der Innenstadt, auch mehr Umsatz für die vom Online-Handel in ihrer Existenz bedrohten Einzelhändler, das wollen angeblich fast alle Gruppierungen im Ingolstädter Stadtrat. Das Abstimmungsverhalten im Stadtrat sah dann aber anders aus.

Damit an einem Feiertag die Geschäfte in der Innenstadt öffnen dürfen, bedarf es einer Verordnung der Stadt Ingolstadt. Im Jahre 2017 befasste sich der Ingolstädter Stadtrat damit. Es gab eine Vorlage, die vorsah, dass künftig am Tag der Deutschen Einheit im Zusammenhang mit dem Herbstfest die Geschäfte in der Innenstadt öffnen dürfen. Dies sollte 20 Jahre lang so sein. Doch unter dem damaligen Oberbürgermeister Christian Lösel, der mit CSU und Freien Wählern über eine komfortable Mehrheit im Stadtrat verfügte, wurde der Entwurf verwässert: Nur für sechs Jahre (statt 20) sollten die Geschäfte öffnen dürfen. Daher musste sich der Stadtrat jetzt wieder mit dem Problem befassen. Ein nunmehriger Antrag der FDP/JU auf Fortführung der bisherigen Regelung wurde abgelehnt.

“Was für ein Rückschritt” soll Christian Lösel laut Donaukurier empört in den Saal gerufen haben. Leidet er an einer Gedächtnisstörung oder hat er verdrängt, dass damals die Beschränkung auf sechs Jahre unter ihm als Oberbürgermeister beschlossen wurde?

Auf Lösels Empörung reagierte sein Nachfolger im Amt, also Christian Scharpf, laut DK mit dem Satz: “An mir lag’s nicht.” Das ist dreist! Scharpf will die Verantwortung dafür, dass der Antrag auf Fortführung der bisherigen Regelung scheiterte, nicht übernehmen. Der amtierende Oberbürgermeister war früher gegen die Feiertagsöffnungszeiten, hat aber seine Meinung geändert. Aber um eine Mehrheit für die Fortführung der bisherigen Regelung hat er sich nicht gekümmert. Wäre das nicht seine Aufgabe gewesen? Scharpf hat bei anderen Themen das Wort im Stadtrat ergriffen und um eine Mehrheit gekämpft. Diesmal nicht. Seine Sozialdemokraten stimmten uneinheitlich ab. Die ansonsten grünen “Verbündeten” waren gegen die Sonderöffnungszeiten. Scharpf hat nichts anderes gemacht, als die Debatte zu moderieren und die Stimmen zu zählen. Moderieren reicht bei einem derartigen Thema nicht. Hier ist vom Oberbürgermeister Führung statt nur Moderation zu erwarten. Mit mehr Engagement hätte es Scharpf schaffen können, eine Mehrheit für die bisherige Regelung zu finden. Mangelndes Interesse an diesem Thema demonstrierte Scharpf mit folgenden Äußerungen unmittelbar nach der Abstimmung im Stadtrat: Er erklärte, er könne sich den einen oder anderen verkaufsoffenen Sonntag “vorstellen”, Innenstadt und Einzelhandel seien nicht gleichzusetzen und: Die Antragsteller (FDP und JU) hätten es versäumt, das Thema in allen Fraktionen zu koordinieren. Und er? Deutlicher kann man eigenes Desinteresse eigentlich nicht zum Ausdruck bringen. Scharpf meinte dann noch in völliger Verkennung der Bedeutung, die dieses Thema für Geschäftsleute und Bürger hat: “Für dieses Jahr ist der Zug abgefahren.” Da sind die Parteien und Gruppierungen im Stadtrat aber anderer Meinung. Sie suchen nach einer Lösung für das laufende Jahr und treiben damit den bei diesem Thema phlegmatischen Scharpf vor sich her. Das könnte noch peinlich für ihn werden.

Traurig auch das Verhalten des FW-Fraktionsvorsitzenden Hans Stachel: Er “beglückte” den Stadtrat mit einer besonders langen Rede/Predigt gegen die Feiertagsöffnung der Geschäfte. Hinterher erklärte er über die Medien, das sei nur seine Privatmeinung gewesen und nicht die Meinung der Freien Wähler. Aber Stachel hatte als Fraktionsvorsitzender das Wort ergriffen – also auch hier ein unglaubwürdiges Verhalten. Seine Privatmeinung kann Stachel am Stammtisch verkünden. Wenn er als Fraktionsvorsitzender zum Thema nichts zu sagen hat, soll er besser schweigen, auch wenn es ihm schwerfällt.

Zur besseren Einordnung eines Arguments: Manche Stadträte meinen,  Feiertage und Sonntage seien “heilig” und sollten nicht kommerziellen Zwecken “geopfert” werden. Laut Ladenschlussgesetz dürfen in zahlreichen Gemeinden Bayerns mit religiös-touristischem Angebot (nicht nur Altötting) Devotionalien (Rosenkränze, Engeldarstellungen u.a.) an bis zu 40 (!) Sonn- und Feiertagen auf die Dauer von jeweils 8 Stunden verkauft werden.