Thema: Mode, Macht und Merkel

Prof. Dr. Kerstin Merkel (KU Eichstätt-Ingolstadt) erforscht den „Look der Politik“. Und die wird weiblicher und trägt selbstbewusst Kleid.

Die Kleidung als Ausdruck von Macht – das galt schon in der Antike, wenn sich der römische Senator durch seine Purpurstreifen auf der Toga als besonders wichtig erkennbar machte. Über die Jahrhunderte waren es prunkvolle Gewänder, die den Mächtigen (und es waren ja fast ausschließlich Männer) kennzeichneten. „Aber seit der französischen Revolution hat sich das total geändert,“ erklärt Prof. Dr. Kerstin Merkel (nicht verwandt mit der Kanzlerin). Schwarzer Anzug und lange Hose ersetzten nun den Pomp. „Im 19. Jahrhundert hat sich der schwarze Anzug zu einer Männeruniform der Macht entwickelt.“

Prof. Dr. Kerstin Merkel

Die Kunsthistorikerin an der Katholischen Universität Eichstätt-Ingolstadt erforscht gerade im Auftrag des Textilmuseums Krefeld die Mode der Mächtigen. Dabei hat sie ein besonderes Augenmerk nicht auf die Männer geworfen, sondern auf Politikerinnen, deren „Look“ sich gerade in jüngster Zeit deutlich geändert hat. Zunächst haben sich die Damen aber der männlichen Kleiderordnung angepasst. Erst das dunkle Kostüm und dann der „Business-Anzug“ waren in den 1950er und 1960er Jahren als „Power-Kleidung“ in Politik und Wirtschaft angesagt: „Es war für die Frauen selbstverständlich, dass sich sich visuell den Männern angepasst haben,“ so Prof. Merkel. In den 1980er Jahren bekamen die Damenanzüge dann auch enorm breite Schulterpolster verpasst, um sich auch optisch die Position in der Männerwelt zu erobern.

Das Kleid ist zurück

Nun ist gerade in jüngster Zeit aber der Hosenanzug wieder auf dem Rückzug. „Das Kleid ist zurück,“ freut sich die Kunsthistorikerin, die selbst gerne und oft Kleider trägt (ihre Vorlesungen hält sie immer im Kleid). Politikerinnen wie Annalena Baerbock oder Julia Klöckner würden diesen neuen Stil derzeit gut repräsentieren.

Annalena Baerbock (Bundesvorsitzende Bündnis 90/Die Grünen) Foto: Stephan Röhl

„Der Anzug hat mittlerweile bei Frauen gar kein gutes Image mehr, weil er in den 80er und 90er Jahren auch ganz stark in den Bereich Service gerutscht ist.“ Als Zeichen eines hohen Status in der Wirtschaft habe der Anzug ausgedient: „Frauen haben nun den Mut, sich auch als Frauen zu geben. Auch in bunten Kleidern.“ Das allertiefste Dekolletee sollte es laut Merkel dabei aber auch nicht sein, wenn man – oder besser frau – auch ernst genommen werden will.

Frau Merkel hat es genial gemacht

„Als sie als Politikerin anfing, war sie oft Hohn und Spott ausgesetzt. Aber irgendwann hat sie ihren Stil gefunden, nämlich eine einfarbige Hose und ein buntes Jackett. Geschätzt hat Frau Merkel etwa 200 Jacketts im Schrank in allen Farben, aber in einer fast identischen Form,“ analysiert Prof. Kerstin Merkel ihre Namensvetterin. Es handle sich um eine Abwandlung des Männeranzugs in Kombination mit einer genialen Strategie: „Sie hat sich als Frau sichtbar gemacht.“ Bei Gruppenfotos, auf denen die Kanzlerin fast immer von Herren in Anzügen umringt ist, sticht sie deutlich hervor, während die Männer „zu einer schwarzen Masse verschmelzen.“

Foto: Bundesregierung/Gottschalk

 

Junge Frauen, die gerade in die Politik einsteigen, seien mit Kleidern gut beraten, meint die Kunsthistorikerin, „weil sie nach wie vor in der Männerwelt hervor stechen. Außerdem haben wir Frauen das wirklich nicht mehr nötig, uns als Männer zu verkleiden.“