Vom Hundszeller Dachstuhl ins Museum

Der Sammelleidenschaft eines Mannes ist es zu verdanken, dass es im Ingolstädter Ortsteil Hundszell das Bauerngerätemuseum gibt (es feiert dieses Jahr sein 25-jähriges Bestehen). Isidor Stürber, ein geschichtsinteressierter Eisenbahner, der in Hundszell gleich neben der Kirche wohnte (sein Haus wurde vor Kurzem abgerissen), trug landwirtschaftliches Gerät, kleine sowie große Gebrauchsgegenstände und mehr zusammen.

Ihm ging es darum, diese Gegenstände und die damit verbundene Geschichte aufzubewahren, denn die Landwirtschaft veränderte (und verändert sich immer noch) rasant. Schon in den 1960er Jahren kam so eine stattliche Anzahl an Objekten von der Sense bis zum Pflug zusammen und Isidor Stübers Sammlung bekam einen eigenen „Ausstellungsraum“ – im Dachstuhl der Hundszeller Kirche! „Die Schulkinder sind auf einer schmalen Treppe auf den Dachstuhl gestiegen, wo ihnen von Isidor Stürber die Objekte gezeigt wurden. Heute ist das nicht mehr vorstellbar“, erklärt Dr. Max Böhm, der Leiter des Bauerngerätemuseums. Beschriftungen oder ähnliches gab es damals nicht – aber das sollte sich ändern.

Dr. Max Böhm im Obergeschoss der Scheune, die zur Ausstellungshalle umgebaut wurde und 1995 als erster Bereich für Besucher der Sammlung zugänglich war.

In den 1980er Jahren kam über den damaligen Oberbürgermeister Peter Schnell und den Kulturreferenten Siegfried Hofmann der Kontakt von Sammler und Stadt zustande. Man war an der Sammlung sehr interessiert, auch weil das Stadtbauerntum einen wichtigen Teil der eigenen Geschichte darstelle. Hundszell war zu dieser Zeit noch ein Bauerndorf und auf dem Ingolstädter Stadtgebiet gab es auch noch etliche landwirtschaftliche Betriebe. Und so wurden Dreschflegel, Sicheln, Traktoren und Co. durch die Stadt angekauft und Isidor Stürber war – nun in offiziellem Auftrag – weiterhin auf der Suche nach neuen Objekten.

Wohin mit der Sammlung von Isidor Stürber?

Nun stellte sich die Frage, wo man die Sammlung denn präsentieren könne, denn der Dachboden der Hundszeller Kirche war nun wirklich kein leicht zugänglicher Ausstellungsort. Laut Dr. Böhm hat man überlegt, die Sammlung in der Ingolstädter Altstadt unter zu bringen. Dann aber lagerten die Objekte in einer Halle auf dem Weinzierl Gelände, das 1999 beim Jahrhunderthochwasser überflutet worden war und so auch die Stürber-Sammlung unter Wasser setzte. Schließlich kam der Tipp einer Hundszeller Bürgerin, dass beim Blasibauern doch Platz für so etwas wäre,“ erklärt Dr. Böhm. „Blasibauer“ ist der Hausname des Hofs der Familie Wagner und Hofinhaber Walter Wagner senior musste aus gesundheitlichen Gründen die Landwirtschaft aufgeben. Und so schlossen Stadt und Inhaber einen (bis heute gültigen) langfristigen Mietvertrag und die nun nicht mehr genutzte Scheune des Anwesens wurde nach Planungen den Ingolstädter Hochbauamtes in ein „begehbares“ Magazin als Außenstelle des Stadtmuseums umgebaut.

In drei Monaten soll eröffnet werden!

„Das Museum hat also zunächst als Sammlung begonnen,“ erklärt Dr. Böhm. Das sei auch deshalb so gewesen, weil man zu dieser Zeit „bloß nicht noch ein Museum“ haben wollte, so der studierte Volkswirtschaftler, der sich schon immer intensiv mit Agrargeschichte befasst hat. Dr. Max Böhm war schließlich der „Geburtshelfer,“ der das „Baby“ mit auf die Welt brachte.1995 hatte er sich der gebürtige Denkendorfer, der gerade in Coburg in einem Museum tätig war, auf die ausgeschriebene Praktikumsstelle beworben und den Zuschlag bekommen. Die Ansage war klar: In drei Monaten soll eröffnet werden! Das war sportlich, aber es hat funktioniert. Die ehemalige Scheune wurde zur „Keimzelle“ des späteren Bauerngerätemuseums, im Lauf der Zeit kamen weitere Gebäude wie z.B. der Schweinestall dazu, in dem nun eine Back- und Waschstube untergebracht wurde. Bis zum Jahr 2000 diente eine provisorische Theke im Hof als Kasse. Dann zog Familie Wagner aus dem immer noch bewohnten Teil des Hofes aus und aus dem Wohngebäude wurde der heutige Kassenbereich, der nun eines Museums würdig ist. Zusätzlich wurde im Wohnhaus auch eine erste kleine Fläche für Sonderausstellungen eingerichtet. „Von Anfang an war es immer eine städtische Einrichtung und nie eine Privatsammlung. Daran hat sich nichts geändert“, betont Dr. Böhm.

Wenn der Opa übermütig wird

Die Eröffnung der nun städtischen agrargeschichtlichen Abteilung des Stadtmuseums vor 25 Jahren hat Isidor Stürber nicht mehr mit erlebt. Er verstarb Anfang der 1990er Jahre. Doch seine Sammlung bildet nach wie vor den Grundstock des Museums. Vor allem die Gerätschaften und Objekte, die in der Scheune zu sehen sind, lassen sich größtenteils auf seine Sammelleidenschaft zurück führen. So auch eines der wohl ältesten Objekte, ein „Altdeutscher Landpflug“, der aus dem 19. Jahrhundert stammt, aber durchaus älter sein könnte, den seit dem Mittelalter hatte sich an diesem Gerät nichts Wesentliches geändert.

Der “Altdeutsche Landpflug”, der zu den ältesten Ausstellungsstücken gehört.

Regelmäßig besuchen Schulklassen die Ausstellung: „Kommen die Kinder vom Land, dann sind zumindest drei oder vier darunter, die wissen, was ein Pflug ist.“ Und auch der ein oder andere Opa schaut sich mit dem Enkel gerne Zeugnisse aus der Vergangenheit (womöglich seiner eignen) an. Ab und zu müsse man da durchaus deutlich machen, dass es sich um ein Museum handle und man nicht Hand an die Objekte anlegen darf.

Feste, Märkte, Konzerte – derzeit alles „ausgebremst“

Grundsätzlich verhält es sich mit der Sammlung des Bauerngerätemuseums (aktuell ca. 5000 Objekte) wie mit nahezu allen Museumssammlungen: Das meiste lagert im Magazin. „Seit zehn Jahren müssen wir 90 Prozent der Angebote, die an uns heran getragen werden, ablehnen“, erklärt der Museumsleiter. In diesem Jahr, zum 25-jährigen Bestehen, war eigentlich geplant, einige Neuzugänge aus dem vergangenen Vierteljahrhundert im Erdgeschoss der Scheune zu präsentieren, aber die Corona Krise hat hier die Pläne über den Haufen geworfen. Das gilt auch für das normalerweise sehr abwechslungsreiche Veranstaltungs- und Ausstellungsprogramm.

Märkte, Brauchtunsveranstaltungen, Konzerte und mehr finden regelmäßig im Museum statt.

Mit der neuen Veranstaltungshalle mit Platz für bis zu 300 Zuschauer, die 2016 auf dem Gelände des Bauernhofmuseums durch Walter Wagner jun. gebaut wurde, hat das Museum als lebendiger Ort weiter dazu gewonnen. Reihen wie „Tango mit da Ziach“ locken regelmäßig Besucher an, ebenso Märkte, Kinderveranstaltungen oder das kultURIG Fest. In diesem Jahr wäre außerdem ein Festkonzert mit dem Georgischen Kammerorchester anlässlich des Jubiläums geplant gewesen – auch hier steht noch nicht fest, ob und wenn ja, wie so eine Veranstaltung über die Bühne gebracht werden kann.

Die Sitzweil-Gruppe gehört zu den “lebendigen Institutionen” des Museums.

Zur Belebung des Museums tragen aber auch das museumspädagogische Programm und die Offenen Treffs bei, etwa, wenn sich die Sitzweil Gruppe zum gemeinsamen Stricken, Sticken und Häkeln trifft. „Über diese Gruppe verfügen wir über eine sehr schöne Handarbeitssammlung“, so Dr. Böhm. Die größte Einzelveranstaltung ist aber das Schleppertreffen, zu dem sich die Fans historischer Traktoren einfinden. Da kommt dann schon mal Besuch bis aus Australien.

Von Waschmittel bis Donald Duck

Der Begriff „Bauerngerätemuseum“ ist zugegeben etwas sperrig. Man hat kein Bernsteincollier oder Kunst-Weltstar zu bieten. Und anfangs war auch die Lage des Museums nicht gerade hilfreich, um Gäste nach Hundszell zu locken. Aber inzwischen ist das Haus eine feste Größe im Ingolstädter Museums- und Kulturleben und darüber hinaus, es ist auch Mitglied der ARGE Ausstellung Süddeutscher Freilichtmuseen. Agrargeschichte ist eben weit mehr als das Präsentieren von Ackergerät und historischen Fotos. Darin steckt Sozial- und Kulturgeschichte genauso wie Technik- und Wirtschaftshistorie. Dr. Max Böhm steht seit 25 Jahren an der Spitze des Museums und er ist – auch wenn die bürokratischen Aufgaben zugenommen haben – immer noch leidenschaftlicher Ausstellungskurator. Über 30 Sonderausstellungen hat er schon in „seinem“ Museum eröffnet, darunter sogar eine zu „70 Jahre Donald Duck“, die bisher den größten Besucherzuspruch generieren konnte. Doch meist sind es weniger prominente Sujets, mit denen sich das Museum auseinander setzt. Das Thema „Wäsche waschen“ beispielsweise klang nicht gerade spektakulär, aber die Fertigkeiten und Ideen, die damit zusammen hängen, haben die Museumsleiter begeistert. Genauso ging es ihm beim Thema „Utopie Landwirtschaft“. Dr. Max Böhm war bei diesem Projekt mehrerer bayerischer Museen federführend: „Wenn man sich etwa die Ideen zur Elektrifizierung der Landwirtschaft ansieht, ist das faszinierend. Unternehmen wie AEG hatten zum Beispiel den Plan, ganze Felder zu elektrifizieren und dann fahrerlose E-Traktoren darauf fahren zu lassen.“ Heute werden Traktoren per GPS-Gerät fern gesteuert – soweit von der damaligen Utopie ist das nicht entfernt. Und so steckt in Themen und Objekten für Dr. Max Böhm immer ein potentieller Aha-Effekt: „Manchmal hat man einen Gegenstand in der Hand, schaut ihn sich gut an und staunt, wie gut so ein Gerät ausgetüftelt war.“

Weitere Informationen zum Bauerngerätemuseum in Hundszell finden Sie unter www.ingolstadt.de/bauerngeraetemuseum