Einst spektakulär – heute verschwunden: Die Sammlung des Johann Egolph von Knöringen in Ingolstadt.
Heute sind es der Louvre, die Berliner Museumsinsel oder die Vatikanischen Museen, die Kunstfreunde aus aller Welt anziehen, weil man dort einzigartige und spektakuläre Kunstschätze zu sehen bekommt. Ingolstadt sucht man auf der Liste der großen Museen eher nicht. Doch das war einmal ganz anders.
Noch bevor der Jesuit Ferdinand Orban seine großartige Kunstkammer in Ingolstadt einrichtete, hatte sich bereits ein anderer Kirchenmann als Stifter einer außergewöhnlichen Sammlung hervor getan. Der Augsburger Bischof Johann Egolph von Knöringen vermachte der Universität Ingolstadt im Jahr 1573 seine Schätze. Im Gegensatz zur Orban-Sammlung, deren „Heimat“ mit dem Orban-Saal zumindest noch vorhanden ist, gibt es von der Knöringen-Sammlung keine baulichen Spuren mehr. Woran die Jesuiten nicht ganz unschuldig waren.
„Ein grosse kupferne Sonnenuhr, zwo zerrupffte Federn uon ainem Paradeysvogl, Contrafey Catharinae, concubinae Lutheri, zway Paar tyrkhische Pantöffl…“ Es ist eine lange Liste mit Büchern, Gemälden, Kunstgegenständen, Mineralien, Gerätschaften und exotischen Artefakten, die in der „Ordentlichen Beschreybung deren in antiquario academico noch anwesenden Antiquitäten“ aus dem Jahr 1682 zu finden ist. Magister Johann Schwender schied damals aus dem Amt des Bibliothekars der Universitätsbibliothek Ingolstadt und hinterließ seinem Nachfolger dieses Inventar der Kunstkammer, das freilich schon nicht mehr alle Gegenstände auflistete, die in der ursprünglichen – einhundert Jahre zuvor eingerichteten – Sammlung vorhanden waren. Ein Umstand, der symptomatisch für das Schicksal der Institution ist. Sie hatte nur eine kurze Blütezeit, ging später in der Orban-Sammlung auf und ist heute nur noch den Experten ein Begriff.
Warum Ingolstadt? Ein hartnäckiger Freund ist Schuld.
Es hätte auch anders kommen können. Was der weit gereiste und hochgebildete Johann Egolph von Knöringen (1537 – 1575) zusammen trug, war ein wahrer Schatz. Die Hohe Schule in Dillingen, die zum Bistum Augsburg gehörte und von den Jesuiten geleitet wurde, hatte wohl ebenso Interesse an dieser Sammlung wie die Universität Würzburg, die ebenfalls unter jesuitischer Leitung stand. Und Knöringen selbst soll wohl auch überlegt haben, der Universität Freiburg eine Stiftung zu übertragen. Das angesammelte Wissen, das in den Büchern und Manuskripten steckte, sollte jeder Universität dieser Zeit gut zu Gesicht stehen: „So richteten sich die Begehrlichkeiten der Ingolstädter Professoren in erster Linie auf die Bibliothek,“ erklärt Dr. Claudius Stein (LMU München), der in seinem Buch „Die Kunstkammern der Universität Ingolstadt“ (Herbert Utz Verlag) die Geschichte der Knöringen-Sammlung erläutert. Dass diese schließlich zusammen mit all den astronomischen Geräten, Gemälden, Kuriositäten und Kunstobjekten nach Ingolstadt gelangten, ist einem Freund Knöringens zu verdanken. Theologieprofessor und Moritzpfarrer Martin Eisengrein (1535 – 1578) begann zu „netzwerken“, führte seinen Freund in Ingolstadt in wichtige Uni- und Kirchenkreise ein und ließ nicht locker ihn zu bitten, die Sammlung der „weytberhümbten vnd Catholischen Vniversitet zu Ingolstatt zu erhaltung vnserer wahren Cristlichen vnd Catholischen Religion“ zu stiften. Mit Erfolg. Am 2. April 1573 wurde die Schenkungsurkunde in Augsburg unterschrieben, die festlegte, dass Buchbestände, Kunstwerke und kirchliche Geräte aus dem Besitz von Johann Egolph von Knöringen an die Universität Ingolstadt (genauer: das Collegium Albertinum) gehen.
Eine „splendissima aula“ auf eigene Kosten – Bauverzögerung inklusive
Von einem privaten Investor würde man heute auch sprechen, wenn es um Johann Egolph von Knöringen geht. Für seine Stiftung ließ er nämlich ein eigenes Gebäude errichten, das im Erdgeschoss die Kunstkammer beherbergte und im ersten Stock (da war es trockener) die Bibliothek. Erbaut wurde es auf einem Grundstück in der Jesuitenstraße, das Knöringen gehörte und an Wohnhaus und Kapelle des Collegiums Albertinum „andockte“. Auf dem Sandtner Modell der Stadt Ingolstadt (das Original befindet sich im Bayerischen Nationalmuseum in München, eine Replik im Ingolstädter Stadtmuseum) ist es noch zu sehen.
Die gesamte Fläche für die Bibliothek, die wohl mehr als 6000 Bände umfasste und die Kunstkammer betrug laut Claudius Stein etwa 1200 Quadratmeter und in den Quellen aus jener Zeit sei das Gebäude als „splendissima aula“ beschrieben worden. So richtig fertig wurde die Heimat der Sammlung erst im November 1573, denn auch damals hatte man schon mit Bauverzögerungen zu kämpfen. Der Ingolstädter Baumeisteramtsverwalter hatte sich geweigert, Bretter und Ziegel für das Vorhaben zur Verfügung zu stellen. Erst eine Beschwerde bei der Hofkammer, also der herzöglichen „Finanzverwaltung“ führte dazu, dass das Material geliefert werden musste.
Johann Egolph von Knöringen besaß im Übrigen auch einen stattlichen Gebäudekomplex in der Harderstraße in Ingolstadt. Ihn hatte er von dem berühmten Gelehrten und Landesvermesser Philipp Apian gekauft, der 1569 Ingolstadt auf Drängen der Jesuiten den Rücken kehrte. Dieses „Kaisheimer Haus“ wurde um 1600 ausgebaut, später barockisiert und beherbergt heute das Ingolstädter Amtsgericht.
Schnelles Ende einer einzigartigen Sammlung
„Knöringen wollte außerdem ein Forschungskolleg in Ingolstadt eröffnen,“ erklärt Claudius Stein. Doch bereits 1575 – nur zwei Jahre als Fürstbischof im Amt – verstarb er, der Zeitlebens mit gesundheitlichen Problemen zu kämpfen hatte, und seine einzigartige Sammlung, die man laut Stein zu den weltweit ersten modernen Museumseinrichtungen dieser Art zählen kann, ereilte ein trauriges Schicksal. Die Jesuiten gründeten in Ingolstadt ihr eigenes Kolleg und brauchten dazu mehr Platz. Die liturgischen Geräte aus der Sammlung wurden bereits auf die Jesuitenpatres verteilt, danach verliert sich ihre Spur, weil auch die entsprechenden Dokumente verschollen sind. Die Medaillen aus Knöringens Sammlung gingen bereits 1576 nach München in die dortige herzögliche Kunstkammer – welche Kunstgegenstände außerdem dort hin wanderten, ist unklar. Der Inhalt von Bibliothek und Kunstkammer wanderte ins Alte Kolleg in der Hohen Schule. Das Knöringen-Gebäude stand den jesuitischen Plänen schließlich im Weg und wurde nicht mal zwanzig Jahre nach seiner Eröffnung abgebrochen, um der neuen Jesuitenkirche Platz zu machen.
Die Sammlung wurde zwar zwischenzeitlich noch erweitert, aber auch vernachlässigt (nicht zuletzt wütete der 30-jährige Krieg im Land) und die in Ingolstadt befindlichen Objekte schließlich nach 1773 in die weitaus berühmtere Orban-Sammlung integriert. Nachdem die Universität nach Landshut verlegt wurde und auch die Sammlung um 1800 neu geordnet wurde, wanderte Brauchbares in diverse Fachsammlungen der Ludwig-Maximilians-Universität, die seit 1826 in München beheimatet ist. Einzelne Artefakte aus dem Besitz Knöringens sind heute nahezu in aller Welt zu finden (oder eben auch nicht mehr, weil sie weg geworfen wurden). Rund 700 Einzelstücke – und damit auch Spuren der Ingolstädter Museumsgeschichte – gehören außerdem zu den Sammlungen des Bayerischen Nationalmuseums und dem Museum Fünf Kontinente in München, wo sie als Dauerleihgaben verblieben sind, nachdem sich die LMU von der Orban Sammlung getrennt hat. Was im Einzelnen wie und wo verblieben ist, wird noch etliche Forscher beschäftigen.
Der Hut von Luthers Gegner
Die Habseligkeiten berühmter Personen hatten schon immer das Interesse von Sammlern geweckt. Ein solcher „Promi“ war – vor allem im katholischen Herzen Bayerns – Johannes Eck (bis heute hat sich sein Nachname zumindest bei Generationen von Kreuzworträtsel-Fans eingeprägt). Johann Egolph von Knöringen besaß gleich zwei Gegenstände, die eng mit Eck (1486 – 1543) verknüpft sind, nämlich ein Birett des Theologen und einen Lehrstuhl, auf dem der berühmte Gegenspieler Martin Luthers die Studenten in Ingolstadt unterrichtet hat. Beide Objekte haben über die Jahrhunderte eine sprichwörtlich bewegte Vergangenheit aufzuweisen.
Die Kopfbedeckung, die im Orban-Saal in Ingolstadt ausgestellt war, wanderte mit der Universität nach München, bis sie Mitte des 19. Jahrhunderts in das Ingolstädter Liebfrauenmünster gelangte. Dort wurde das Birett in der Nähe der Grabstätte von Johannes Eck aufgehängt. 1941 holte die LMU den Hut wieder zurück, um ihn in einer Sonderausstellung zu präsentieren. Schließlich gelangte das Birett in das Schloss Wässerndorf (Landkreis Kitzingen), wo es zum Ende des Zweiten Weltkriegs zusammen mit zahlreichen Kunstgegenständen verbrannte. Dem Eckschen Stuhl erging es nicht besser – nach einem Kurzaufenthalt im Ingolstädter Stadtmuseum von 1929 bis 1941 wurde er bei den Luftangriffen auf die Münchner Residenz 1944 zerstört. Eine Kopie des Stuhls ist heute im Stadtmuseum Ingolstadt zu sehen.