Wissen: Weltstar und Ur-Meter der Vogelevolution

Der Archaeopteryx ist Fossil des Jahres und endlich wieder im Eichstätter Jura-Museum zu sehen.

Auf dieses „versteinerte Viech“ hatte Charles Darwin gewartet. Ausgerechnet auf dem Gebiet des katholischen Bistums Eichstätt ist im 19. Jahrhundert ein entscheidender Beweis dafür entdeckt worden, dass sich das Leben auf der Erde vielleicht doch nicht ganz so entwickelt hat, wie man es dem Alten Testament entnehmen kann. Was aber fast noch erstaunlicher ist – Theologie und Naturwissenschaft sind gerade in Eichstätt eine derart fruchtbare Partnerschaft eingegangen, dass eine Sammlung von Weltrang (O-Ton Generaldirektor der Staatlichen Naturwissenschaftlichen Sammlungen Bayerns Prof. Dr. Gerhard Haszprunar) daraus erwachsen ist.

Das Eichstätter Exemplar auf der Willibaldsburg war vermutlich ein Jungtier und wurde 1951 auf der Petershöhe bei Workerszell gefunden, fast 100 Jahre nach der Entdeckung des ersten Urvogels.

1861 ist der erste Archaeopteryx auf der Langenaltheimer Haardt bei Solnhofen gefunden wurden, 1859 hatte Darwin seine Evolutionstheorie veröffentlicht. Ausgerechnet ein Gegner dieser Theorie – der britische Forscher Richard Owen – kaufte das Fossil, um es im Natural History Museum in London erst einmal wegzuschließen. Die Evolutionstheorie setzte sich allerdings trotzdem durch. Und weitere Fossilien, die den Übergang vom Reptil zum Vogel bewiesen, wurden gefunden. Im Lauf von 160 Jahren sind es 14 Urvögel, von denen aber nicht jeder auch ein Archaeopteryx ist. So stellte sich laut Prof. Dr. Oliver Rauhhut von der Bayerischen Staatssammlung für Paläontologie und Geologie das Haarlemer Exemplar als eine neue Gattung Ostromia heraus, die den Urvögeln in China ähnelt. Der dreizehnte und geologisch jüngste Urvogel, der 2017 in Mühlheim gefunden wurde und bis September in Eichstätt im Jura-Museum ausgestellt wird, hat sich ebenfalls als neue Urvogelart, als Altmühlvogel „Alcmonavis poeschli“ heraus gestellt. Grundsätzlich steht inzwischen außer Frage, dass sich unsere heutigen Vögel aus den Dinosauriern entwickelt haben (vermutlich sehen Sie Spatz, Meise und Co. jetzt mit ganz anderen Augen?).

Freuten sich über die Wiedereröffnung des Jura Museums: Dr. Peter Beer (KU-Stiftungsratsvorsitzender), Prof. Dr. Gerhard Haszprunar (Generaldirektor der Staatlichen Naturwissenschaftlichen Sammlungen Bayerns), Prof. Dr. Gabriele Gien (Präsidentin der KU), Dr. Christina Ifrim (designierte Direktorin des Museums), Dr. Stephanie Armer (Geschäftsführerin des Museums) sowie Dr. Rolf-Dieter Jungk (Amtschef im Staatsministeriums für Wissenschaft und Kunst)

„Alle Funde stammen aus den Plattenkalken Bayerns, es gibt Archaeopteryx nirgendwo sonst,“ betonte Prof. Dr. Oliver Rauhhut bei der Wiedereröffnung des Eichstätter Jura-Museums. „Dieses Fossil gibt es wirklich nur hier!“ Das Fossil gelte als der Ur-Meter der Vogelevolution, auch wenn inzwischen andere Urvogelarten in Spanien oder China entdeckt worden sind. Der Wissenschaftler hat selbst mehrere Archaeopteryx Exemplare bearbeitet und erforscht. Durch die gute Erhaltung der Federn konnte man unter anderem an dem 2011 gefundenen Exemplar deutlich erkennen, dass das Federkleid des Urvogels durchaus dem heutiger Vögel entspricht. Dafür habe das im Dinopark Denkendorf ausgestellte zwölfte Exemplar die Erkenntnis gebracht, dass der Kopf des Archaeopteryx weit weniger vogelähnlich war, als bisher angenommen. Der Urvogel lebte vor ca. 150 Millionen Jahren, war ein flinker Räuber und ein guter Kletterer, aber er legte keine großen Flugstrecken zurück. Womöglich nutzte er die Kunst des Fliegens nur, um Feinden zu entkommen.

Der Archaeopteryx – Fossil des Jahres 2020

Die Paläonologische Gesellschaft hat den Archaeopetryx (aus dem Griechischen archaîos „uralt“ und ptéryx „Flügel, Schwingen, Feder“) zum Fossil des Jahre 2020 erklärt. Für das Jura-Museum in Eichstätt, das nach einem Jahr der Schließung wieder zu besichtigen ist, eine willkommene zusätzliche PR, denn „Archie“ wird so in ganz Deutschland in diversen Fachmagazinen und Zeitschriften auftauchen. Außerdem ist das Eichstätter Museum das einzige, das damit gleich zwei Fossilien des Jahres präsentieren kann: 2009 bekam der Juravenator diese Auszeichnung, der ebenfalls in der Willibaldsburg zu sehen ist.

Und was hat nun die katholische Kirche und insbesondere das Eichstätter Priesterseminar damit zu tun? Es ist die umfangreiche naturkundliche Sammlung des Seminars, die das Museum überhaupt ermöglicht hat. Der Mathematikprofessor und Jesuit Ignatz Pickl hat 1773 seine Mineralien- und Fossiliensammlung dem Priesterseminar zur Verfügung gestellt. Mitte des 19. Jahrhunderts kamen naturkundliche Sammlungen einer Ingolstädter Gewerbeschule dazu, sowie Mineralien und Vogelpräparate aus der Leuchtenberg-Sammlung. Später wurde die Sammlung je nach Interessenlage der Sammlungskuratoren erweitert. Sie umfasst auch ein wertvolles Herbarium, eine schöne Sammlung von Muscheln und Schnecken und exotische Schmetterlinge und Käfer sowie zahlreiche Fossilien vor allem aus den Plattenkalken rings um Eichstätt. Genutzt wurden die Anschauungsobjekte für die naturkundliche Ausbildung der Theologen. Es sollte „naturwissenschaftlich-technisches Denken mit der Ehrfurcht vor dem Schöpfer und der Solidarität mit der Schöpfung“ verbunden werden.

Weltstar aus dem Altmühltal

Der erste gefundene Archaeopteryx ist heute im Naturkundemuseum in London zu sehen – er befindet sich in der Kammer mit den Museumshighlights im übrigen nur ein paar Meter von der Statue Charles Darwins entfernt. Unter dem Londoner Exemplar ist zu lesen: „Most valuable fossil in the Museum“ (also wertvollstes Fossil des Museums.)

Das Londoner Exemplar im Natural History Museum zählt zu den wichtigsten und wertvollsten Exponaten des Museums.

Das wohl schönste Exemplar (gefunden zwischen 1874 und 1876 auf dem Blumenberg bei Eichstätt) befindet sich im Naturkundemuseum in Berlin. Dort thront der Archaeopteryx sogar in einem für ihn gestalteten Raum – wie „Superstar Kollegin Nofretete“ in einem anderen Berliner Museum.

Der Archaeopteryx hat in Berlin im Naturkundemuseum einen besonderen Platz bekommen. Fotos: Arzenheimer

 

Ein weiteres Exemplar befindet sich im Wyoming Dinosaur Center in Thermopolis. Aber man braucht gar nicht so weit zu reisen, um einen echten „Archie“ zu treffen: Neben dem Exemplar im Eichstätter Jura-Museum gibt es gleich zwei Archaeopteryx im Bürgermeister-Müller-Museum in Solnhofen zu sehen sowie einen im Denkendorfer Dinopark und im Paläontologischen Museum in München.

Öffnungszeiten, Eintrittspreise und mehr zum Jura-Museum unter www.jura-museum.de