Update: Die CSU ist die größte Fraktion im neuen Stadtrat. Da sollte sie dann auch eine wichtige Rolle spielen. Aber will sie das auch oder steht sie beleidigt in der Ecke? Kommentar von Hermann Käbisch Update: Stellungnahme Steffi Kürten
Noch wissen wir nicht, wer der nächste Oberbürgermeister von Ingolstadt sein wird. Ob es nun Christian Lösel oder Christian Scharpf wird – keiner hat mit seiner Partei eine Mehrheit im Stadtrat. Das ist keine Katastrophe, denn mehr als 90 % der Beschlüsse werden regelmäßig einstimmig gefasst. Aber natürlich gibt es streitige Themen, bei denen sich der künftige Oberbürgermeister eine Mehrheit suchen muss. Und ob er nun Christian Lösel (dann ist das selbstverständlich) oder Christian Scharpf (dann ist es notwendig) heißt, er wird mit der CSU-Fraktion reden und sich mit dieser Partei auseinandersetzen müssen.
Wie aber wird sich die CSU als eine von elf Gruppierungen im Ingolstädter Stadtrat gegenüber anderen verhalten? In der Vergangenheit gab es eine lange Zeit eine Mehrheit im Stadtrat, die sich aus CSU und Freien Wählern zusammensetzte. Diese Mehrheit zerfiel schon in der Schlussphase des amtierenden Stadtrates und wird es auch in Zukunft nicht geben.
Selbst wenn sich zu den Freien Wählern noch die FDP (und selbstverständlich die JU) gesellen würde, ergäbe dies noch keine Mehrheit (CSU 13 Sitze, Junge Liste 2 Sitze, Freie Wähler 4 Sitze und FDP 2 Sitze = 21 von 50 Sitzen.
Addiert man noch die AfD mit ihren 4 Sitzen hinzu, so wären es immerhin 25 Sitze. Doch einer solchen Koalition (die es nach der Gemeindeordnung eigentlich ohnehin nicht gibt) würden sich die Freien Wähler widersetzen. Dies hat Hans Stachel ganz klar formuliert. Und wer in der CSU glaubt, man müsse ja mit der AfD keine offizielle Koalition schmieden, sondern könne sich „dulden” lassen, der dürfte die Rechnung auch ohne die Freien Wähler gemacht haben. Wenn nur der Anschein entsteht, es könnte zwischen CSU und AfD irgendwelche Absprachen geben, wird sich das Hans Stachel nicht gefallen lassen. Er dürfte ohnehin schon die Stirn gerunzelt haben, dass die AfD keinen eigenen OB-Kandidaten aufgestellt hat.
Die Rechnung ohne den Wirt (in diesem Fall die CSU) dürfte auch machen, wer glaubt, es sei einfach, eine Koalition/Kooperation gegen die CSU zu schmieden. SPD (9 Sitze) und Grüne (8 Sitze) haben zusammen bei weitem keine Mehrheit. Und wer die Flöten-Töne von Steffi Kürten gehört hat, kann nicht ausschließen, dass die Grünen auch einem Bürgermeister-Lockruf der CSU erliegen könnten. Selbst mit Bürgergemeinschaft (2 Sitze), ÖDP (2 Sitze) und UDI (2 Sitze) sind es gerade mal 23 Stimmen im Stadtrat. Mit FDP (2 Sitze) und/oder der Linken (2 Sitze) und einem sozialdemokratischen Oberbürgermeister würde es rechnerisch reichen. Aber ein derartiges Bündnis, in dem FDP, Grüne und Linke unter einen Hut zu bringen wären, muss der Albtraum eines Oberbürgermeisters sein.
Zünglein an der Waage könnten natürlich die Freien Wähler sein. Würden die sich einem derartigen Bündnis hinzugesellen, hätte es rein rechnerisch eine breite Mehrheit. Aber Freie Wähler und Grüne, UDI, Linke in einer Kooperation? Da müssten längere Brücken gebaut werden als bei einer Donauquerung.
Man kann es drehen und wenden, wie man will: Die CSU steht auch im neuen Stadtrat in der Verantwortung und es stellt sich die Frage, wie sich die erfolgsverwöhnte Partei, die in der Vergangenheit gern „durchregiert” hat, mit der neuen Rolle eines „normalen” Partners anfreunden kann. Viel wird davon abhängen, wer die Fraktion künftig führt. Sollte dies ein Hardliner wie Albert Wittmann sein, wird eine Zusammenarbeit mit der SPD und den Grünen schwierig. Wittmann würde allerdings die anderen im Stadtrat durch seinen möglicherweise kompromisslosen Stil zusammenschweißen. Dies könnte dazu führen, dass die CSU an Bedeutung verliert und beleidigt in der Ecke steht.
Patricia Klein hat als Fraktionsvorsitzende gute Arbeit geleistet. Ob sie sich allerdings in der neuen Fraktion, wenn es um die Kooperation mit anderen Parteien oder Gruppierungen geht, durchsetzen kann, ist zweifelhaft. Sie genießt allerdings parteiübergreifend erhebliches Ansehen. Das könnte die Empfehlung als Bürgermeisterin sein. Für eine Wahl zur Bürgermeisterin bedarf es der Unterstützung mehrerer Parteien. Die auch Matthias Schickel hätte.
Von 1974 bis 1993 hieß der Fraktionsvorsitzende der CSU Hermann Regensburger. Er war gleichzeitig ab 1974 Mitglied des bayerischen Landtags. Diese Doppelfunktion war für die CSU ein Glücksfall. Es war ihre erfolgreichste Zeit. So mancher in der Partei stellt sich daher die Frage, ob dieses Erfolgsmodell nicht auch mit dem Landtagsabgeordneten und Stadtrat Alfred Grob neu aufgelegt werden könnte. Grob gilt als das „freundliche Gesicht” der CSU. Er verkörpert gegenüber anderen Parteien/Gruppierungen einen offeneren Stil und wird daher trotz inhaltlicher Meinungsverschiedenheiten als Ansprechpartner geschätzt. Obgleich er noch nicht lange bei der CSU an vorderster Front kämpft, hat er bei der Kommunalwahl ein hervorragendes Ergebnis erzielt. Mit 17.537 Stimmen lag er vor Patricia Klein (16.677 Stimmen) und knapp hinter Albert Wittmann (18.046 Stimmen), der als zweiter Bürgermeister jahrelang im Lichte der Öffentlichkeit stand und damit sehr bekannt ist.
Was Alfred Grob parteiübergreifend hohes Ansehen beschert hat und erstaunlicherweise von der CSU im Wahlkampf kaum erwähnt wurde: Grob war Leiter der Kriminalpolizei in Ingolstadt, als gegen Alfred Lehmann ermittelt wurde. Es besteht Einigkeit darüber, dass hier ausgezeichnete Arbeit geleistet wurde und zwar ohne Ansehen der Person Alfred Lehmann. Die CSU (und möglicherweise Christian Lösel) hat ihr schlechtes Wahlergebnis nicht in erster Linie Alfred Lehmann, sondern dem ungeschickten Umgang mit dem Fall Lehmann zu verdanken. Um den Wählern klar zu machen, dass nicht die ganze CSU korrupt ist (was ja tatsächlich überhaupt nicht der Fall ist), hätte man Alfred Grob als leuchtendes Beispiel korrekten Handelns und der schonungslosen Aufklärung des Falles Lehmann im Wahlkampf herausstellen können. Grob gilt also als integer und mit ihm an der Fraktionsspitze könnten konstruktive Gespräche mit den anderen Parteien/Gruppierungen geführt werden und damit der Einfluss der CSU auf die Ingolstädter Stadtpolitik gewährleistet werden. Mit der CSU zusammen, die natürlich lernen muss, Kompromisse einzugehen, können breite und stabile Formen der Zusammenarbeit geschmiedet werden. Das liegt im Interesse der Stadt. Ohne die CSU ist es schwierig und für die CSU allein unmöglich.
Dazu Steffi Kürten (Grüne):
“Schon im DK unglücklich zitiert, weil aus dem Zusammenhang genomnen, stelle ich hiermit klar: Zwischen politischen Flötentönen u meiner Aussage, dass sich atmosphärisch bereits etwas zum Besseren geändert hat, weil schlicht alle zugänglicher geworden sind – auch in der CSU gibt es Brückenbauer -, liegen Welten. Der Stadtrat krankt in meinen Augen am schlechten Ton, an dem, was möglicherweise noch Verborgen schlummert u natürlich am schlechten Stil, weswegen man dem jeweils “anderen” nicht mehr zugehört hat – wer damit angefangen hat ist egal. Für mich ist es ein schönes Zeichen, wenn die normale zwischenmenschliche Ebene gefühlt besser funktioniert, d.h. man spricht wenigstens miteinander, Stadtratskandidatinn aller demokratischen Parteien haben sogar miteinander gefeiert u gelacht. Ein zartes Pflänzchen, kein Fundament für politische Koaltionen. Miteinander respektvoll umgehen u zu versuchen unter Demokrat*innen ein wie auch immer geartetes Miteinander möglich zu machen, ist für mich lediglich das Minimum, dass in den vergangenen 6 Jahren fehlte. Das hat nichts mit politischen Allianzen zu tun. Ich persönlich – das entscheiden bei uns aber die Mitglieder – kann mir keine Allianz/ Koalition zwischen CSU u Grünen vorstellen. Ich unterstütze Christian Scharpf als OB. Klarer kann ich es politisch nicht formulieren.” Über eine Veröffentlichung würde ich mich sehr freuen.