Die Diskussion um Wilhelm Reismüllers Ehrenbürgerwürde zeigt: Für rechtlich bedeutungslose Symbolpolitik ist genug Geld da. Kommentar von Hermann Käbisch
Nein! Ich gehöre nicht zu den Verehrern von Wilhelm Reissmüller. Mit dem Herausgeber und Mitinhaber des Donaukurier hatte ich zu dessen Lebzeiten (er verstarb im Jahre 1993) in meiner damaligen Funktion als geschäftsführender Gesellschafter des früheren Fernsehsenders intv vor und hinter den Kulissen (ab 1986) zum Teil heftige Auseinandersetzungen. Seine Wahl zum Ehrenbürger der Stadt Ingolstadt im Jahre 1976 fand ich nicht gut. Es erschien mir so, als ob der Stadtrat um die Gunst des damals allmächtigen Chefs der lokalen, marktbeherrschenden, medial konkurrenzlosen Tageszeitung buhlte, ja zu Kreuze kroch.
Unverständlicher – ja unsinniger – als die Ernennung Reissmüllers zum Ehrenbürger erscheint mir aber die jetzige Diskussion um den Widerruf der Ehrenbürgerwürde. Seit dem Beschluss der Stadträte, der Reissmüller im Jahre 1976 zum Ehrenbürger machte, hat sich die Faktenlage kaum verändert. Schon damals war bekannt, dass Reissmüller und der nationalsozialistisch geprägte “Donaubote” seines Schwiegervaters Ludwig Liebl, bei dem Reissmüller in der Verlagsleitung tätig war, Befürworter Hitlers und dessen Terrorregimes waren. Das konnte immer in den archivierten Ausgaben des “Donauboten” nachgelesen werden. Ob das Manfred Schuhmann (der damals schon dem Stadtrat angehörte) und die anderen Stadträte wohl gemacht haben?
Nun aber scheint insbesondere für die Grünen (und in ihrem Schlepptau die anderen Parteien, insbesondere OB Christian Scharpf und die SPD) die Zeit gekommen, mit der Vergangenheit aufzuräumen. Reissmüller möchte man die Ehrenbürgerwürde aberkennen. Die Grünen, die erst 1980 als Partei gegründet wurden, waren bei der Ehrung Reissmüllers nicht dabei und sind fein raus. Die beschäftigten sich noch zu Lebzeiten Reissmüllers (wie damals auch die FDP) damit, ob man Pädophilie, also Sex mit Kindern, erlauben und die entsprechenden Straftatbestände streichen sollte. Erst im Jahre 1993, so in der Wochenzeitung “Die Zeit” (Online am 11. August 2013) zu lesen, wurde eine entsprechende Forderung aus dem Parteiprogramm gestrichen. Also diese Grünen erheben jetzt lautstark den moralischen Zeigefinger und wollen den nationalsozialistischen Schmutz der Vergangenheit aufarbeiten.
Das ist einerseits unsinnig, denn die Ehrenbürgerwürde endet als höchstpersönliches Recht des Geehrten mit dessen Tod automatisch. Also braucht man die Ernennung gar nicht aufzuheben; es geht nur um eine symbolische Handlung. Und die ist teuer! Denn so einfach scheint es mit der Ehrenbürgerunwürdigkeit Reissmüllers nicht zu sein. Schon bei der Aberkennung der Ehrung für dessen Schwiegervater Ludwig Liebl im Dezember letzten Jahres wurde ein Kurzgutachten einer Eichstätter Professorin erholt. Das soll einen mittleren vierstelligen Betrag (einige meinen gar mehr als 10.000 Euro) gekostet haben. Bei Reissmüller soll nun ein ausführlicheres Gutachten Klarheit verschaffen. Das werde sich, so der Flurfunk im Rathaus, in einem (mittleren bis höheren) fünfstelligen Bereich bewegen. Zahlen zu den bisherigen und kommenden Kosten wurden nicht veröffentlicht. Denkt sich der staunende Bürger: 10.000 oder gar 50.000 Euro für einen rechtlich bedeutungslosen Stadtratsbeschluss, für Symbolpolitik? Frage an den sozialdemokratischen Oberbürgermeister Scharpf: Ist das noch Politik für die breite Mehrheit der Bevölkerung – einst Herzensangelegenheit der Sozialdemokraten – oder werden hier intellektuelle Blähungen des übersättigten Bürgertums, aus dem die Grünen zum Teil ihre Wähler rekrutieren, kuriert? Geldverschwendung ist es aus meiner Sicht allemal.