Fakten und Gerüchte: Der Kampf ums Rathaus und Umfrage zu Gewalt/AfD

Zwischen Christian Lösel und Christian Scharpf spitzt sich das Rennen um das Amt des Oberbürgermeisters zu. Eine Stichwahl ist denkbar. Unabhängig davon fragten wir alle OB-Kandidaten zum Thema AfD und Gewalt.

Forsa-Interpretation – Kommentar von Hermann Käbisch

Nach der neuen Forsa-Umfrage, die der Donaukurier veröffentlicht hat, ist eine Stichwahl zwischen Amtsinhaber Christian Lösel und dem SPD-Herausforderer Christian Scharpf möglich. Doch sicher ist das nicht: Lösel hatte vor der letzten Kommunalwahl (2014) in der vergleichbaren Umfrage 42 Prozent der Stimmen erreicht. Am Ende wurde er mit 52,3 Prozent gewählt. Jetzt liegt er bei 39 Prozent. Allerdings wurden im Februar 2020 nur die Befragten berücksichtigt, die zur Wahl gehen wollen, 2014 (und bei der Umfrage im Januar 2020) auch die Unentschlossenen, so dass die 42 Prozent von damals eigentlich einen höheren Prozentsatz bedeuteten. “Lösel nimmt Kurs auf absolute Mehrheit” titelte der Donaukurier im Jahre 2014 und behielt Recht. Diesmal hält die Tageszeitung eine Stichwahl mit offenen Ausgang für wahrscheinlich.

Sollte es zu einer Stichwahl kommen, dann  werden vor allem die Freien Wähler das Zünglein an der Waage sein. Deren Spitzenkandidat (auch für das Amt des Oberbürgermeisters) ist Hans Stachel. Er macht im Wahlkampf eine gute Figur. Im Gegensatz zu Peter Springl, der in der öffentlichen Wahrnehmung als “Anhängsel der CSU” galt, betont er den eigenständigen Kurs der Freien Wähler. Er wirkt dabei nicht wie ein Taktierer sondern wie jemand, der aus innerer Überzeugung handelt. Bleibt abzuwarten, wie sich die Freien Wähler im Falle einer Stichwahl zwischen Lösel und Scharpf verhalten. Unabhängig davon, ob sie überhaupt eine Wahlempfehlung abgeben werden oder nicht, ist die Annahme gerechtfertigt, dass nicht alle den bisherigen Koalitionspartner und damit Lösel unterstützen. Scharpf darf wohl mit Stimmen aus diesem Lager rechnen.

Rätselhaft ist das Abschneiden der UDI in der Umfrage. Schlappe 3 Prozent sollen sie und ihr OB-Kandidat Jürgen Köhler nur erhalten. Angesichts des Medienwirbels, den Sepp Mißlbeck für seine Gruppierung regelmäßig veranstaltet, ist das ein bescheidenes Ergebnis. Es wären gerade mal ein oder zwei Mandate. Allerdings ist davon auszugehen, dass bei einer Stichwahl diese Wähler eher Scharpf als Lösel unterstützen würden.

Auch die AfD mit 5 Prozent ist möglicherweise in der Umfrage unterbewertet. Es wäre zwar ein schöner Erfolg der etablierten Parteien, wenn es dabei bliebe. Aber vermutlich sieht es am Wahlabend anders aus.

Christian Scharpf und die SPD sind im Aufwind. Scharpf zieht die Partei offensichtlich mit nach oben. Sollte es der Spitzenkandidat der SPD schaffen, eine Stichwahl zu erzwingen, dann hat er Chancen, den Rathaus-Sessel zu erobern. Es dürfte schwieriger sein, in die Stichwahl zu kommen, als diese zu gewinnen. Scharpfs großer Vorsprung bei den Wählern vor der eigenen Partei lässt vermuten, dass er im bürgerlichen Lager gut ankommt. Die Wahlstrategie der Sozialdemokraten, Scharpf in den Mittelpunkt zu stellen, scheint aufzugehen. Er hat anscheinend eine “gewinnende Art”.

Die landes- und bundesweit hoch gehandelten Grünen liegen in Ingolstadt nicht so gut im Rennen. Das liegt zum einen daran, dass Petra Kleine eher als erfahren denn als jung und unverbraucht gilt. Und manche Beobachter des Wahlkampfes meinen, sie führe eigentlich gar keinen OB-Wahlkampf, um später vielleicht zweite oder dritte Bürgermeisterin zu werden. Jedenfalls schont sie den Amtsinhaber auffällig; nur mit Albert Wittmann duelliert sie sich.

Unter Wert schlägt sich bei der Umfrage die BGI. Sie hat – man mag ihr inhaltlich zustimmen oder nicht – einen Großteil der Oppositionsarbeit im Stadtrat geleistet. Fraktionsstärke dürfte sie aber erreichen – was nach der letzten Wahl nicht der Fall war.

Zu den Geheimnissen der Demoskopie oder des Wählerwillens zählt, warum der gewandte OB-Kandidat der FDP, Jakob Schäuble, bei nur 1 Prozent liegt und dabei noch schlechter abschneidet als die Partei. Ob die Demoskopen hier richtig liegen?

Bei der ÖDP liegt ein zweites Mandat im Bereich des Möglichen; die Linke dürfte wieder zwei Stadträte stellen, nachdem ihr die bisherigen “abhanden” gekommen sind. Ob Jürgen Siebicke und Ulrike Hodek es beide bei der BGI schaffen, wieder in den Stadtrat einzuziehen, das ist nicht sicher. Eva Bulling-Schröter und der belebende OB-Kandidat Christian Pauling, der mehr Zuspruch findet als die Partei, können zuversichtlich sein, gewählt zu werden.

Zurück zur CSU: Hier ist bemerkenswert, dass Christian Lösel im Gegensatz zur ersten Umfrage jetzt mehr Zuspruch erfährt als seine Partei. Das war Im Januar anders. Das ist so zu verstehen, dass er seine Partei hinter sich hat (was manche in Zweifel ziehen wollten) und Wähler anderer Parteien/Gruppierungen (etwa der Jungen Liste oder der AfD), die keinen OB-Kandidaten aufgestellt haben, hinter sich bringen kann. Wenn dies bereits jetzt in die Umfrage eingeflossen ist, so kann er nicht mit zusätzlichen Stimmen aus dieser Richtung im Falle einer Stichwahl rechnen. Aber eine Stichwahl ist keineswegs sicher.

Umfrage zur AfD und Gewalt

Wir hatten alle OB-Kandidaten gefragt:
1. 60 Prozent der Deutschen sehen bei der AfD eine Mitverantwortung für rechtsextremistische Morde wie in Hanau. Wie sehen Sie es?
2. Kann die AfD auf kommunaler Ebene, also auch in Ingolstadt, zur Gefahr für unser demokratisches System werden?
Eine Begrenzung der Zeichenzahl hatten wir nicht vorgegeben, aber um kurze und prägnante Antworten gebeten. Dennoch mussten wir aus Platzgründen (die Antworten wurde in der gedruckten Ausgabe der Ingolstädter Stimme wiedergegeben) kürzen, was jeweils durch … gekennzeichnet wurde.

Dr. Christian Lösel, CDU
1. Die Verbreitung von rechtsextremen Ansichten, wie es durch Teile der AfD geschieht, führt meines Erachtens zu einer Mitverantwortung für rechtsextremistische Morde.
2. So wie demokratische Prozesse bzw. Abläufe in den Parlamenten durch die AfD beeinträchtigt werden, so besteht diese Gefahr natürlich auch auf kommunaler Ebene. Es hängt aber auch damit zusammen, ob, wie viele und welche Personen der AfD dem Stadtrat angehören. Ich vertraue auf die demokratischen Mehrheiten im Stadtrat.

Christian Scharpf, SPD
1. Wer Hetze gegen Ausländer betreibt und Hass gegen Minderheiten schürt ist ein geistiger Brandstifter und mitverantwortlich dafür, dass sich Menschen radikalisieren und irgendwann auch vor Morden nicht mehr zurück schrecken… Nur drei Beispiele aus unzähligen belegbaren Zitaten zeigen, dass die AfD keine bürgerlich-konservative Partei ist:„Brennende Flüchtlingsheime sind kein Akt der Aggression.“ Sandro Hersel, AfD „Das große Problem ist, dass man Hitler als das absolut Böse darstellt.“ Björn Höcke, AfD „Solche Menschen müssen wir selbstverständlich entsorgen.“ Petr Bystron, AfD
2. In einem AfD-Strategiepapier hieß es schon 2016: „Die AfD lebt gut von ihrem Ruf als Tabubrecherin und Protestpartei.“ Man dürfe vor „sorgfältig geplanten Provokationen“ nicht zurückschrecken. Ob die AfD-Kandidaten, die in den Ingolstädter Stadtrat einziehen, sich solcher Methoden bedienen werden, bleibt abzuwarten… Ich werde es nicht zulassen, dass unsere Stadtgesellschaft gespalten wird.

Hans Stachel, FW
1. „Rechte Täter setzen verbale Gewalt in reale Gewalt um.“ Dieser Satz, der aus dem Leitartikel der Süddeutschen Zeitung vom 22./23. Februar  stammt, trifft genau den Kern. Natürlich hat niemand aus der AfD direkt und explizit dazu aufgefordert, Menschen zu töten. Aber Leute wie Höcke, Gauland und viele andere haben den Boden für solche Taten bereitet. Wer so unsinnige Thesen wie „Umvolkung“ oder „Bevölkerungsaustausch“ verbreitet, wer – wie Höcke – vom „großen Kampf“ spricht, den man „siegreich durchstehen“ müsse, der trägt eine Mitschuld an Gewaltverbrechen wie in  Halle  und  Hanau  und viele, viele andere. Rund 100 Menschen starben laut Aussagen der Bundesregierung seit 1990 durch rechte Gewalt. Und wenn jetzt die AfD jammert, das Opfer von Hetze zu sein, dann ist das eine unglaubliche Dreistigkeit. Wer hat denn die Geister gerufen, wer hat angefangen gegen „Kopftuchmädchen“ zu hetzen, wer hat jede Straftat von Ausländern zu Hetzattacken missbraucht? Insofern kann ich die Frage, ob die AfD eine Mitverantwortung an rechtsextremistischen Morden trägt, bejahen.

2. Die zweite Frage ist sehr theoretisch. Bislang tritt die AfD in  Ingolstadt  nicht groß in Erscheinung. Die Kommunalwahl wird zeigen, wie stark sie hier wirklich ist. Ob sie eine Gefahr für unser demokratisches System werden kann, das kann ich nicht beantworten…Nach all den Ereignissen der jüngsten Zeit werden wir, die Freien Wähler, auf jeden Fall größtmögliche Distanz zur AfD halten, eine auch nur irgendwie geartete Zusammenarbeit kommt nicht in Frage… Unsere Meinung und unser Abstimmverhalten wegen der AfD zu verändern kommt nicht in Frage. Unser Ziel ist und bleibt eine sichere, stabile Mitte, ohne radikaler Ränder.

Jakob Schäuble, FDP
1. Ein Radikalisierungsprozess ist sehr komplex. Ein Teil davon scheint offensichtlich ein rassistisches Denken gewesen zu sein. Dazu gibt es klare Parallelen in der AfD. Höcke sagte unter anderem: „Auch wenn wir leider ein paar Volksteile verlieren werden, die zu schwach oder nicht willens sind, sich der fortschreitenden Afrikanisierung, Orientalisierung und Islamisierung zu widersetzen.“ oder „Die sogenannte Einwanderungspolitik, die nichts anderes ist als eine von oben verordnete multikulturelle Revolution, die nichts anderes ist als die Abschaffung des deutschen Volkes.” Die AfD verschiebt damit die Grenzen der Politik weit nach rechts. Sie gibt dem rassistischen und nationalistischen Denken eine Plattform und trägt so zur Verbreitung dieses Denkens und Radikalisierung bei.

2. Die AfD kann sicherlich auf jeder Ebene zur Gefahr werden, so auch auf der kommunalen. Der Verfassungsschutz ist auch schon aktiv, besonders der „Flügel“ der AfD ist schon als Verdachtsfall gewertet. Aber schon im Frühjahr wird entschieden, ob auch die gesamte AfD wegen Verfassungsfeindlichkeit unter Beobachtung kommt. Eine Partei die demokratisch gewählt ist, ist also noch lange keine Partei der Demokratie.

Petra Kleine, Grüne
1. Ich sehe die AfD, ihre Inhalte, ihre Sprache und den Umgang mit ihnen missliebigen Personen als mit ursächlich für die zunehmende Bedrohung von Einzelnen oder Personengruppen. Aus Denken wird Sprechen, aus Sprache werden Taten und wird Gewalt, insbesondere wenn die Reden von Hetze und Feindbildern getrieben werden. Die AfD ist auch im Stadtrat von  Ingolstadt  zunehmend abwertend gegenüber ganzen Gruppen von Menschen… Die Partei schürt Vorurteile, Rassismus und Fremdenfeindlichkeit und leistet so offensichtlich dem rechten Terror Vorschub.

2. Nicht, wenn wir dem als Stadtgesellschaft, als Bürger*innen und als Kommunalpolitiker*innen immer wieder entgegentreten. Wir dürfen den Provokationen keinen Raum geben. Wir wollen in unserer Stadt doch Mitmenschlichkeit und mehr Beteiligung leben. Da dürfen rechte, menschenfeindliche Parolen keinen Platz finden… Auf kommunaler Ebene verbietet sich jegliche Zusammenarbeit und Unterstützung. Keinen Millimeter nach Rechts.

Raimund Köstler, ÖDP
1. Die Mitverantwortung der AfD besteht darin, dass sie in ihren Reihen Leute, Gruppen und Medien, die offen oder verdeckt Antisemitismus vertreten, toleriert und akzeptiert.

2. Für  Ingolstadt  wird die AfD auch eine Gefahr werden, da lokale Entscheidungen das Grundsatzprogramm der AfD berücksichtigen werden. Auf den ersten Blick sieht vieles im Programm der AfD zwar gar nicht so erschreckend aus. Aber genau hier liegt das Problem: Es gibt unakzeptable Bestandteile, die in vernünftige Teile eingebettet sind. Wesentliche unakzeptable Bestandteile sind:

a. Die AfD leugnet den von Menschen verursachten Klimawandel, bekämpft die Energiewende und will die Atomgefahr fortführen.

b. Die AfD kündigt den humanistischen, europäischen Konsens und will den nationalen Egoismus wieder zur Grundkategorie der Politik machen.

Die AfD will einen ganz anderen Staat. Die AfD lehnt den Sozialstaat ab, indem sie für sozialstaatliche Aktivitäten „besondere Rechtfertigung“ verlangt.

Christian Lange, BGI
1. Die AfD trägt meines Erachtens die Hauptverantwortung für die zunehmende Gewalt von rechts in unserem Land. Durch die von dieser Partei ständig geschürte Angst vor Fremden, Migranten und dem Islam als Religion bedient sich die AfD derselben Mittel wie die Nazis im letzten Jahrhundert: das Ausgrenzen von Menschen einer bestimmten Religion, einer bestimmten Herkunft oder aus anderen Kulturen.

2. Die AfD ist auf allen Ebenen eine Gefahr für unser demokratisches System. Ein Kandidat der AfD  Ingolstadt  hat erst kürzlich in einer unsäglichen Pressemitteilung gezeigt, was uns auch auf kommunaler Ebene erwartet: Die Beschimpfung Andersdenkender hat System in dieser Partei. Das ist eine Gefahr für Pluralität und Meinungsfreiheit – eine grundlegende Säule unserer Demokratie, die diese Partei angreift. Deswegen verbietet sich jede Zusammenarbeit oder Absprache mit der AfD auf allen Ebenen, denn die Kandidaten sind angetreten, unsere Demokratie schlechtzureden und am Ende abzuschaffen.

Jürgen Köhler, UDI
1. Führende Vertreter der AfD haben immer wieder deutlich ihre Missachtung anderer Religionen und Kulturen zum Ausdruck gebracht. Rassistische, antisemitische und angstschürende Parolen bilden den inhaltlichen Kern dieser Partei.

Mit dieser Hetze, die insbesondere in den Sozialen Medien stattfindet, schürt die AfD das Misstrauen gegenüber Ausländern bzw. diejenigen, die ausländisch aussehen. Dies kann dazu führen, dass bei manchen Personen nicht nur Missachtung sondern Hass gegenüber Menschen anderer Religionen und Kulturen entsteht. Eine Mitverantwortung der AfD an rechtsextremen Morden ist daher meines Erachtens nicht auszuschließen.

2. Demokratie bedeutet in erster Linie, dass die Macht vom Volke ausgeht. Diese wird im Stadtrat durch die von den Bürgerinnen und Bürgern gewählten Vertreter der Parteien und Wählergemeinschaften stellvertretend für alle Bürger wahrgenommen…. Wenn diesbezüglich alle Parteien und Wählergemeinschaften wachsam sind und klar dazu Stellung beziehen, sehe ich keine Gefahr für unser demokratisches System.

Christian Pauling, Die Linke
Stellungnahme kam nicht rechtzeitig.